Ihr lieben Kirchdorfer,
Um die Geschehnisse bei der Eröffnung der diesjährigen Olympischen Spiele in Paris ging es uns unter anderem am 10. Sonntag nach Trinitatis in der Hauptgottesdienstpredigt. Bischof Hans-Jörg Voigt der SELK hat dazu eine eigene Stellungnahme verfasst, die ich gerne mit Euch teilen möchte. Gott der Herr schenke uns Weisheit und offene Augen, dass wir die Geister prüfen, denen wir in dieser Welt ausgesetzt sind, und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.
Euer Pastor Böhmer
Stellungnahme von Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. zur Eröffnungsveranstaltung der Olympischen Spiele in Paris
Seit mehr als einer Woche sind Presse und Internet mit der Debatte beschäftigt, auf welche Weise eine bestimmte Szene innerhalb der Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele am 26. Juli 2024 zu deuten ist. In einer szenischen Choreografie durch Transpersonen und Dragqueens werden Anklänge ein Gemälde von Leonardo da Vinci, „Das letzte Abendmahl“ erkennbar. Der Vatikan und zahlreiche andere kirchliche Repräsentanten auf der ganzen Welt haben sich zu Wort gemeldet und die Verletzung christlicher Werte besonders des Heiligen Abendmahls verurteilt. Aber auch Donald Trump und Wladimir Putin haben sich dazu geäußert. Seitdem wird die Kritik an der Szene als „rechts“ diffamiert.
Was sagen die französischen Bischöfe?
Für mich von besonderer Bedeutung sind die Äußerungen der römisch-katholischen Bischofskonferenz in Frankreich, die die Verhöhnung des Letzten Abendmahls Christi heftig kritisiert haben. Die französischen Bischöfe können das Geschehen aus dem Blickwinkel ihrer kulturellen Nähe zum Geschehen am besten beurteilen: Die Eröffnungszeremonie habe Christen auf allen Kontinenten verletzt.
Und jetzt auch noch eine Stimme aus der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK)? Nach einigen Tagen des Abwägens und Nachdenkens bin ich mir aber sicher, dass es für mich ein Akt der christlichen Selbstachtung ist, das Geschehen nicht unkommentiert vorübergehen zu lassen.
Gelassenheit
Mittlerweile ist die Debatte so polemisch geworden, dass einige Klarstellungen vorab notwendig sind. Die künstlerische und mediale Meinungsfreiheit unserer westlichen Gesellschaft ist ein hohes Gut. Wir sollten nicht einstimmen in eine „Empörungskultur“, die immer gleich die schlimmsten Befürchtungen hegt, wenn „meine Werte“ der Kritik ausgesetzt sind. Ein gewisses Maß an Gelassenheit in kulturellen Fragen tut unseren polarisierten Gesellschaften – auch unserer Kirche – gut.
Plausibilitäten
Seit der olympischen Eröffnungsfeier wird nun diskutiert, ob es sich bei der szenisch-tänzerischen Darstellung von Dragqueens und Transgenderpersonen um eine Parodie von Leonardo da Vincis Darstellung vom Letzten Abendmahl handelt oder vielmehr um Anklänge an eine Darstellung „Fest der Götter“ von Jan van Bijlert.
Natürlich sind künstlerische Darstellungen dieser Art immer in hohem Maße deutungsoffen. Damit meine ich, dass sich die Frage nach der Interpretation der Szene nicht mit einem „So ist es – basta!“ beantworten lässt. Allerdings gibt es Plausibilitäten, die man nicht einfach auf die Seite schieben kann.
Olympic Jesus
Barbara Butch, die weibliche Person im Mittelpunkt der Szene, eine LGBTQ-Aktivistin und französische DJane, hatte sich selbst im Nachhinein in einem sozialen Netzwerk als „Olympic Jesus“ bezeichnet, was verdeutlicht, dass sie selbst jedenfalls wusste, wie die Szene gedeutet werden kann. Dass Barbara Butch sich inzwischen juristisch gegen Morddrohungen und Beschimpfungen schlimmster Art zur Wehr setzen muss, ist schrecklich und durch nichts zur rechtfertigen.
Auch die Annahme, dass eine solche Szene zufällig entstanden ist, ist nicht plausibel. Die Veranstaltung soll schätzungsweise 120 bis 200 Millionen Euro gekostet haben. In diesen Größenordnungen bleibt natürlich nichts dem Zufall überlassen. Als dann der fast vollkommen nackte Sänger Philippe Katerine hellblau angemalt in einer Frucht- und Blumenschale zu singen beginnt, sind Anklänge an die griechische Gottheit Dionysos nicht zu übersehen.
Symbole
Warum ist diese Szene so ärgerlich und verletzend? Es handelt sich eben nicht einfach um Kunst, sondern es werden Symbole aufgerufen, die in unserem westlichen Kulturkreis geprägt sind. Dass Symbole alles andere als harmlos sind und dass man mit der Verwendung provozieren kann, wissen wir in Deutschland sehr genau.
Liebe, die zum Opfer bereit ist
Indem in der Szene die Figurenanordnung des bekannten Wandgemäldes von Leonardo da Vinci im Dominikanerkloster Santa Maria delle Grazie in Mailand nachgestellt wird, wird bei den meisten, die das Gemälde schon einmal gesehen haben, der Erinnerungsraum an das Abendmahl aufgerufen. Christus spricht: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ (Johannes 15,13). Christus opfert sich aus Liebe für alle Menschen am Kreuz. Im Abendmahl bekommen wir Anteil an dieser sich aufopfernden Liebe, in dem Jesus Christus seinen Leib und Blut in, mit und unter Brot und Wein austeilen lässt. Die griechische Sprache verwendet für diese selbstlose Liebe den Begriff der „Agape“. “. Sie ist Grund unseres Glaubens und, wo immer es geht, Vorbild für unser menschliches Miteinander.
Eros und Sexualität
Dieses Geschehen wird nun umgedeutet: Auf dem runden Teller auf da Vincis Abendmahlsbild erscheint Dionysos, die griechische Gottheit des Weines, der Trauben, des Wahnsinns und der Ekstase. Das Ganze steht in einem sexualisierten Kontext. Offensichtlich tanzt auch ein Kind mit in diesen orgiastischen Szenen. Hier wird die sich für die Menschen aufopfernde Agape-Liebe durch die körperbezogene Liebe des „Eros“ ersetzt. Damit wird die Szenerie zu einer Art Ikonoklasmus, also zu einem Bildersturm im Sinn einer konsequenten Umdeutung von Bildern und Symbolen. Ein die christliche Kultur zutiefst prägendes Zeichen der Agape-Liebe wird ersetzt durch ein Bild des Eros und der Sexualität.
Kein Eros ohne Agape
Wenn die Kirchen diese Umdeutung als verletzend kritisieren, dann fallen sie nicht in vergangene Muster der Leibfeindlichkeit zurück, sondern sie weisen darauf hin, dass der Eros seine eigentliche Bestimmung nur auf der Basis der Agape, der sich aufopfernden Liebe, erlangen kann.
Moderner Ikonoklasmus
Als eine moderne Art des Ikonoklasmus können weitere Symbole der Eröffnungsveranstaltung gedeutet werden: Die Massenenthauptungen im Gefolge der Französischen Revolution werden umgedeutet, wenn Marie Antoinette mit ihrem Kopf in der Hand dasteht, während Blut spritzt. Dunkle Reiter bringen das olympische Feuer. Es bleibt offen, ob sie den Romanen von Tolkien oder als Apokalyptische Reiter der Offenbarung des Johannes entlehnt sind. Ein Goldenes Kalb steht da oder ist es vielmehr der Stier, auf dem die phönizische Schönheit Europa reitet? Dieser Stier ist ebenso ein Symbol für den Eros.
Toleranz oder Deutungshoheit?
Zur Wahrhaftigkeit gehört auch, dass die Veranstalter inzwischen eine halbe Entschuldigung versucht haben: „Es war nie die Absicht, einer religiösen Gruppe gegenüber respektlos zu sein… Ich denke, wir haben (mit) Thomas Jolly wirklich versucht, die Toleranz der Gemeinschaft zu feiern. Wenn wir uns die Ergebnisse der Umfragen ansehen, die wir gemeinsam durchgeführt haben, glauben wir, dass diese Ziel erreicht wurde.“
Ich denke aber, dass es sich nicht mehr nur um die eingeforderte Toleranz für ein gesellschaftliche Minderheit handelt, sondern um die Übernahme der Deutungshoheit durch eine queere Popkultur.
Kultus und Kultur
Jeder „Kultus“ führt zu einer Kultur. Der christliche Kultus / Gottesdienst hat zur Ausprägung einer christlichen Kultur geführt, von der wir bis heute zehren. Positiv ließe sich eintragen, dass die besagte Szene der Eröffnungsveranstaltung nur deshalb als Umdeutung funktionierte, weil ein Wissen um die kulturelle Bedeutung des da-Vinci-Gemäldes vorauszusetzen war.
Mir graut allerdings schon heute vor dem, was kommen mag, wenn dieses Grundbewusstsein um die opferbereite Liebe Gottes irgendwann endgültig, wie die Bastille dem Erdboden gleichgemacht ist. Ich werde daran erinnert, dass der Schriftsteller Alexander Solschenizyn in seiner großen Rede zur Verleihung des Tempelton-Preises im Jahr 1983 die Schrecken des sowjetischen Kommunismus mit den zugleich hellsichtigen wie einfachen Worten erklärt: „Die Menschen haben Gott vergessen; deshalb ist das alles passiert.“
Symbole
Warum ist diese Szene so ärgerlich und verletzend? Es handelt sich eben nicht einfach um Kunst, sondern es werden Symbole aufgerufen, die in unserem westlichen Kulturkreis geprägt sind. Dass Symbole alles andere als harmlos sind und dass man mit der Verwendung provozieren kann, wissen wir in Deutschland sehr genau.
Liebe, die zum Opfer bereit ist
Indem in der Szene die Figurenanordnung des bekannten Wandgemäldes von Leonardo da Vinci im Dominikanerkloster Santa Maria delle Grazie in Mailand nachgestellt wird, wird bei den meisten, die das Gemälde schon einmal gesehen haben, der Erinnerungsraum an das Abendmahl aufgerufen. Christus spricht: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ (Johannes 15,13). Christus opfert sich aus Liebe für alle Menschen am Kreuz. Im Abendmahl bekommen wir Anteil an dieser sich aufopfernden Liebe, in dem Jesus Christus seinen Leib und Blut in, mit und unter Brot und Wein austeilen lässt. Die griechische Sprache verwendet für diese selbstlose Liebe den Begriff der „Agape“. “. Sie ist Grund unseres Glaubens und, wo immer es geht, Vorbild für unser menschliches Miteinander.
Eros und Sexualität
Dieses Geschehen wird nun umgedeutet: Auf dem runden Teller auf da Vincis Abendmahlsbild erscheint Dionysos, die griechische Gottheit des Weines, der Trauben, des Wahnsinns und der Ekstase. Das Ganze steht in einem sexualisierten Kontext. Offensichtlich tanzt auch ein Kind mit in diesen orgiastischen Szenen. Hier wird die sich für die Menschen aufopfernde Agape-Liebe durch die körperbezogene Liebe des „Eros“ ersetzt. Damit wird die Szenerie zu einer Art Ikonoklasmus, also zu einem Bildersturm im Sinn einer konsequenten Umdeutung von Bildern und Symbolen. Ein die christliche Kultur zutiefst prägendes Zeichen der Agape-Liebe wird ersetzt durch ein Bild des Eros und der Sexualität.
Kein Eros ohne Agape
Wenn die Kirchen diese Umdeutung als verletzend kritisieren, dann fallen sie nicht in vergangene Muster der Leibfeindlichkeit zurück, sondern sie weisen darauf hin, dass der Eros seine eigentliche Bestimmung nur auf der Basis der Agape, der sich aufopfernden Liebe, erlangen kann.
Moderner Ikonoklasmus
Als eine moderne Art des Ikonoklasmus können weitere Symbole der Eröffnungsveranstaltung gedeutet werden: Die Massenenthauptungen im Gefolge der Französischen Revolution werden umgedeutet, wenn Marie Antoinette mit ihrem Kopf in der Hand dasteht, während Blut spritzt. Dunkle Reiter bringen das olympische Feuer. Es bleibt offen, ob sie den Romanen von Tolkien oder als Apokalyptische Reiter der Offenbarung des Johannes entlehnt sind. Ein Goldenes Kalb steht da oder ist es vielmehr der Stier, auf dem die phönizische Schönheit Europa reitet? Dieser Stier ist ebenso ein Symbol für den Eros.
Toleranz oder Deutungshoheit?
Zur Wahrhaftigkeit gehört auch, dass die Veranstalter inzwischen eine halbe Entschuldigung versucht haben: „Es war nie die Absicht, einer religiösen Gruppe gegenüber respektlos zu sein… Ich denke, wir haben (mit) Thomas Jolly wirklich versucht, die Toleranz der Gemeinschaft zu feiern. Wenn wir uns die Ergebnisse der Umfragen ansehen, die wir gemeinsam durchgeführt haben, glauben wir, dass diese Ziel erreicht wurde.“
Ich denke aber, dass es sich nicht mehr nur um die eingeforderte Toleranz für ein gesellschaftliche Minderheit handelt, sondern um die Übernahme der Deutungshoheit durch eine queere Popkultur.
Kultus und Kultur
Jeder „Kultus“ führt zu einer Kultur. Der christliche Kultus / Gottesdienst hat zur Ausprägung einer christlichen Kultur geführt, von der wir bis heute zehren. Positiv ließe sich eintragen, dass die besagte Szene der Eröffnungsveranstaltung nur deshalb als Umdeutung funktionierte, weil ein Wissen um die kulturelle Bedeutung des da-Vinci-Gemäldes vorauszusetzen war.
Mir graut allerdings schon heute vor dem, was kommen mag, wenn dieses Grundbewusstsein um die opferbereite Liebe Gottes irgendwann endgültig, wie die Bastille dem Erdboden gleichgemacht ist. Ich werde daran erinnert, dass der Schriftsteller Alexander Solschenizyn in seiner großen Rede zur Verleihung des Tempelton-Preises im Jahr 1983 die Schrecken des sowjetischen Kommunismus mit den zugleich hellsichtigen wie einfachen Worten erklärt: „Die Menschen haben Gott vergessen; deshalb ist das alles passiert.“
– Hans-Jörg Voigt D.D., Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK)