Ein besonderer Abschied 

Im Jahr 2022 melden sich die Angehörigen einer alten Dame erneut bei Hanne, um ihr die gerade 100 gewordene Angehörige anzuvertrauen. Die Dame Lore war schon öfter bei Hanne. Sie verstehen sich gut und teilen dazu noch etwas Wichtiges – den christlichen Glauben.

Während Lore nun wieder bei Hanne zu Gast ist, baut sie stark ab. Auch wenn sie bislang für eine Hundertjährige noch recht fit war, merkt man nun, dass sich ihr Leben dem Ende zuneigt. Lore hat für diesen Fall vorgesorgt und sich in einem Altenheim angemeldet, um ihren Kindern nicht zur Last zu fallen. Als Hanne das erfährt, wünscht sie sich, dass Lore intensiver als im Altenheim betreut wird und vielleicht sogar bei ihr bleiben kann.

Lore blüht wieder etwas auf und die beiden verbringen schöne Tage miteinander, die Hanne im Nachhinein als „besonderes Erlebnis“ beschreibt. Sie singen gemeinsam, und Hanne erzählt Lore von ihrem Traum der Schriftstellerei.

Dennoch wird Lore von Tag zu Tag schwächer. Sie sehnt sich danach, bei ihrem Herrn und Gott zu sein. Das sagt sie Hanne manchmal unter Tränen und fragt, warum Gott so lange brauche, sie zu holen. Weil Lore immer schwächer wird, packt Hanne sie in warme Decken. Eines Tages schläft Lore bei ihr ruhig und friedlich ein.

Auch wenn Lores Tod Hanne sehr traurig stimmt, ist dieses Erlebnis für sie der Beweis, dass Gott auch nach einem so langen Leben noch treu ist.

Lore wurde von Gott durch schwere Zeiten getragen und bis zum Tod begleitet. An dieser Frau, ihrem Glauben, ihrer Güte und Sanftheit erkennt Hanne Gottes Größe.

Lore ist eine der letzten Gäste, die Hanne betreut. Denn mittlerweile ist auch sie älter geworden. Zudem ist in der Zeit mit ihren Gästen ein neuer Wunsch in ihr herangereift: Von den Erfahrungen erzählen, die sie gemacht hat. Hanne hat mit ihren Gästen Höhen und Tiefen durchlebt und so Wertvolles gelernt. Diese Erfahrungen möchte sie weitergeben.

In ihrer Arbeit als Altenpflegerin hat Hanne den Wert von Menschen erkannt, die leicht an den Rand unserer Gesellschaft rutschen. Sie ist aus den Konventionen ausgebrochen, um getreu ihren Werten weiter ihren Traumberuf auszuüben. Dadurch hat sie ihren Gästen und Angehörigen einen besonderen Dienst erwiesen.

Auch nach ihrer Zeit als Altenpflegerin gibt sie diesen alten Menschen weiter eine Stimme, indem sie ihre Geschichten erzählt. In ihrem Buch „Die Lebensweisen“ berichtet Hanne von den besonderen Erlebnissen, die sie in den 16 Jahren der privaten Altenpflege mit ihren Gästen gemacht hat.

Ihr Buch gibt Einblick in Hannes Alltag, aber vor allem in das Leben von Menschen, die schon ein ganzes Leben hinter sich haben. Dieses Leben hat Hannes Gäste geprägt, ihre Geschichten geschrieben und ihre Weltanschauungen und Lebensweisen geformt.

Weil Hanne sich Zeit nehmen konnte zuzuhören, gemeinsam zu musizieren oder zu schweigen, haben ihre Gästen sie mit Geschichten beschenkt, die nachhaltig bewegen. Als Autorin beschenkt sie nun andere mit diesen Geschichten und zeigt, dass es sich lohnt, sich Zeit für alte Menschen zu nehmen und ihnen zuzuhören.

Maria Dietz