Es war am Abend schwül und warm, der Stadt entströmt ein Menschenschwarm
und eilt nach der Geschäfte Schluss auf Dampfer, Rad und Omnibus
hinaus zur frischen Abendluft, zu Vorstadtgrün und Waldesduft.
Am meisten wird zur Fahrt begehrt die Eisenbahn, die weiter fährt.
In einen Wagen kühn hinein steigt auch ein Mädchen jung und fein.
Das kleine Ding sechs Jahre kaum besetzt den letzten freien Raum.
Sie legt auf ihren kleinen Schoß ein Reisebündel ziemlich groß.
Die Schultern schützt ein Umschlagtuch wie man’s vor vielen Jahren trug.
Sie ist allein, doch frank und frei ruft sie den Schaffner sich herbei:
Darf ich hier bleiben, Onkel du?“ Der Schaffner winkt und lacht dazu.
Der Zug schickt sich zur Abfahrt an und vorwärts saust die Eisenbahn.
Der Schaffner geht die Reih entlang. Man hört das Knipsen mit der Zang.
Der Zug rast durch das Land geschwind. Der Schaffner ruft: „Billett, mein Kind!“ Die Kleine blickt verwundert auf. Wehrt heftig ab und sagt darauf:
„Billett, Herr Onkel, brauch ich keins, denn Jesus zahlt für unsereins!“
Die Leute lächeln vor sich hin. Der Schaffner fasst sich unters Kinn
und schaut ihr freundlich ins Gesicht: „Mein Kind, den Zahler kenn ich nicht.“
„Den kennst du nicht, der für uns starb und uns das ewge Heil erwarb?
Der dich und mich und alle liebt und alle Sünden uns vergibt?
Das ist doch seine Eisenbahn. Die hält ja in dem Himmel an.“
„Die Karte Kleine, aber bald!“ „Das hat doch Jesus schon bezahlt!
So sagte doch die Mutter mein bevor sie starb: „Durch Kreuz und Pein hat Jesus schon das Lösegeld bezahlt zur Fahrt in jene Welt.“
Und dort im Himmel licht und schön will ich die Mutter wiedersehn.
Ich bin noch klein, der Weg ist weit und jetzt ist es die beste Zeit.
Drum stieg ich heute Abend ein um morgen früh bei ihr zu sein.“
Der Schaffner denkt: „Das ist kein Scherz.“ Es wird ihm weich und warm ums Herz. Im Wagen schaut sich alles stumm zur lauten Sprecherin dort um.
Die ohne Scheu und kindlich frei bekennt wer Jesus Christus sei.
So macht der Herr durch Kindermund sein Lob auf Erden oftmals kund.
Die Kleine plaudert fernerhin: „Ich bin ja eine Pilgerin!
Die Mutter zog auf dieser Bahn zur Heimat droben mir voran.
Du hast das Lied wohl auch gehört, das sie mich frühe hat gelehrt:
„Mein Leben ist ein Pilgerstand. Ich reise nach dem Vaterland.
Wo Gott mir eine feste Stadt auf Grund des Bluts bereitet hat.“
Und als ich heute ganz allein zu Hause war, da fiel mir’s ein,
was Mutter sterbend zu mir sprach: „Mein Liebling, komme mir ja nach.
Dann machte ich mich schnell bereit und lief hinaus.
Nach kurzer Zeit kam diese Bahn. Der Zug hielt still,
als ob er auf mich warten will.
Es ist die rechte Bahn, nicht wahr? Als ich sie sah, da war mir klar,
dass dies der Zug zum Himmel ist und du der Himmelskutscher bist.“
Der Schaffner schüttelte das Haupt, was so ein Kind doch von ihm glaubt.
Und doch hält er das kleine Ding und sein Geplauder nicht gering.
Ihm dringt mit unterdrücktem Schmerz ein jedes Wort gar tief ins Herz.
Er beugt sich nieder, sagt halblaut: „Wie du mein Kind, so lieb und traut,
so frisch und froh, so rund und rot war auch mein Kind – jetzt ist es tot.“
„Im Himmel ist’s“, fiel sie ins Wort, „und lebt bei seinem Heiland dort.
Wie meine Mutter auch auf mich, so wartet es gewiss auf dich.“
Die Kleine wurde ganz entzückt, der Schaffner aber unterdrückt
mit Mühe nur die Tränenflut die in dem feuchten Auge ruht.
Ihn ruft die Pflicht, er fügt sich drein. Die Freundin schlummert drüber ein.
Der Schaffner denkt in seinem Sinn: „Der könnt ich helfen, immerhin
sie will ein Heim in Mutterarm. Ich nehm sie zu uns liebewarm.
Mein Frau wird dann ihr Mütterlein und ich will gern ihr Vater sein.“
Er trug sie Abends spät nach Haus. Dort ruhte sie in Frieden aus.
Am Morgen meinte sie dann gleich, sie wäre fast im Himmelreich:
Da gab die Mutter einen Kuss dem fremden Kind zum Morgengruß.
Das sagt: „Von Gott gesand bist du !“ und lachte ihr recht herzlich zu.
Der Schaffner aber war fortan ein Wanderer nach Kanaan.
Er folgte gern dem Gnadenzug der dieses Kind nach oben trug.
Zog mit der kleinen Pilgerin samt seiner Frau zum Himmel hin, nach oben zu der ew’gen Stadt, die Jesus uns bereitet hat