Reformationsfest (Das ewige Evangelium) – 2023

Will Rogers war früher ein amerikanischer Komiker, der dafür bekannt war, Menschen zum Lachen zu bringen. Einmal lud ihn ein reicher Mann nach Los Angeles ein zu seinem Institut für Leute mit Rückenbruch, schweren Behinderungen und Poliolähmungen. Und Rogers kam auch und brachte die Kranken auch zum Lachen, sogar die Schwerbehinderten; aber dann verließ er die Plattform und machte abrupt Pause. Der Gastgeber fand Rogers in der Herrentoilette. Er hatte sich an die Wand gelehnt und schluchzte. Das geballte Leid der Menschen, das er vor sich sah, war ihm zu viel geworden. Der Gastgeber schloss die Tür. Einige Minuten später erschien Rogers wieder auf der Plattform und machte weiter, als wenn nichts geschehen war. Ihr Lieben, wir leben in einer gebrochenen Welt. Und es gibt viel Herzeleid. Und auch die, die uns zum Lachen bringen und die Stimmung aufheizen wollen, kommen an ihre Grenzen – man kommt nicht drum herum.

 

Jesus Christus kam in diese gebrochene Welt und wurde Teil von ihr. Aber er kam mit einer frohen Botschaft. Jesus wächst auf und lernt hautnah die kaputte Welt kennen, in der wir leben. Und dann beginnt er, öffentlich aufzutreten und zu predigen. Es ist immer gefährlich, zu versuchen, eine Predigt oder überhaupt viele Predigten in einem Satz zusammenzufassen. Aber der Evangelist Matthäus kriegt es hin durch die Eingebung des Heiligen Geistes. In einem Satz zusammengefasst: [4,17] Das kann man auch so sagen: „Tut Buße, denn Gott, der König, ist gekommen, um heilzumachen, was kaputt ist.“ Und sogleich beginnt Jesus, Menschen zu berufen, sich dem anzuschließen, was Gott tut, Simon Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, und sie folgen ihm nach. Und dann beginnt Jesus, die gebrochene Welt zu reparieren, einen kranken und kaputten Menschen nach dem andern, er heilt alle Krankheiten und alle Gebrechen im Volk, Menschen mit Rückenbruch und schweren Behinderungen, alle Kranken, mit mancherlei Leiden und Plagen behaftet, Bessessene, Mondsüchtige und Gelähmte; und er machte sie gesund. Jesus beginnt, die kaputte Welt heil zu machen und leere Menschenleben mit Hoffnung und Heil zu erfüllen.

Wie sieht es heute mit uns aus? Wie geht es uns? Ach, „Klagen hilft ja nicht“, sagt man. Aber damit sagen wir doch gerade aus, dass es viel gibt, über das wir eigentlich klagen sollten oder gern klagen würden. Es ist immer leichter, zu meinen, es geht uns gut, wenn das Leben gemütlich ist und berechenbar ist und wir unsere Standards nicht ganz so hoch wie Gott ansetzen. Dann ist das Leben auch in Afrika schön. Und oft schenkt der Herr solch ein Leben vielen unter uns, und das wollen wir dann auch gerne annehmen. Aber wenn wir dann doch mal „ins Institut müssen“, das Leiden anderer erleben, wenn wir mal wirklich beachten, welchen Gefahren wir ausgesetzt sind, was alles in der Ukraine und Russland und China und Israel und Deutschland und in unserem Land und vielleicht auch bei uns selbst kaputt ist, dann merken wir schnell, dass das alles außerhalb unserer Kontrolle liegt.

 

So redet der Heiland heute Morgen über dich. Über dein Leben, und meins. [3] Bei neueren deutschen Übersetzungen steht hier nicht mehr „Selig sind…“, sondern „Glücklich sind…“ Bei einer heißt es sogar: „Wie glücklich sind die, die begreifen, wie arm sie vor Gott sind! … Wie glücklich sind die, die trauern…“ Und da ist wohl schon klar, dass das falsche Übersetzungen sind. Wer trauert, ist nicht glücklich. „Selig sind…“ übersetzt Dr. Luther, und er hat recht. Hier steht nicht: Glücklich sind die geistlich Armen, als wenn Jesus hier sagt: Ich gratuliere den Trauernden, den Sanftmütigen, die da hungern und dürsten nach Gerechtigkeit. Nein, selig sind sie. Selig bedeutet, dass diese Menschen Gottes Seligkeit empfangen haben, das Heil, das in Jesus Christus in diese gebrochene Welt gekommen ist. Wieso sind sie selig? Weil sie Jesus haben, weil sie sind, wo er ist, und er ist, wo sie sind. Das bedeutet, die Kraft und Vollmacht des Himmelreichs gehört den geistlich Armen, die jetzt trauern, sie werden schließlich in Jesus getröstet werden, er wird die Erbschaft der neuen Erde den Sanftmütigen schenken, und in Jesus wird Gott alles richtigstellen und den Hunger und Durst der Menschen stillen, die sich danach sehnen, dass Gott endlich eingreift.

 

Das ist gerade das Entscheidende: Die Menschen, um die es hier geht, die geistlich Armen, die Trauernden, die Sanftmütigen (eigentlich besser: die Niedrigen, die in dieser Welt nichts gelten), und die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden – das sind alles Menschen, die nichts haben, die nichts können, die innerlich leer und voller Sehnsucht sind. Das sind nicht Menschen, die etwas gelten oder etwas können oder etwas vorzuweisen haben. Jesus spricht hier nicht von guten Menschen! Sondern wer geistlich arm ist, hat nichts, aber auch nichts, das er Gott bieten kann, und kann sich auch nicht helfen; wer trauert, der weiß, dass die Welt kaputt ist; wer niedrig ist in dieser Welt ist machtlos und kann seine Lage nicht ändern. Wenn Menschen einsehen, dass sie machtlos sind, ihre Lage zu verbessern und insbesondere ihre Lage vor Gott, dass sie sich nicht selbst gesund und heil machen können, dann hungern sie nach der Gerechtigkeit Gottes – das bedeutet, sie sehnen sich danach, dass Gott die Welt in Ordnung bringt und heilmacht, wie er es versprochen hat.

 

Die Jünger stehen dabei. Sie haben angefangen, Buße zu tun und zu glauben, dass sie geistlich arm sind, dass sie trauern, dass sie niedrig sind und sich sehnen, dass Gott nach dem Rechten sieht. Eine große Menschenmenge steht da, viele sind ihm gefolgt, hören ihm zu, und die einen reagieren vielleicht so, und die anderen so. Sie staunen über das, was Jesus sagt, aber werden sie ihm glauben, dass es um sie geht? Ja, und ihr? Und ich? Bin ich denn wirklich geistlich arm? Sind meine Hände vor Gott wirklich ganz und gar leer? Redet Jesus hier über mich? Über dich?

 

Der König ist gekommen, und er regiert. Ihr Lieben, Jesus ist nicht als Weltverbesserer gekommen oder als Mentor oder als Coach. Er ist gekommen, um sein Volk zu retten von Sünden. Das ist seine Aufgabe. Er heilte Menschen – er trieb Dämonen aus – er vergab Sünden. Allen, die zu ihm kamen, half er. Naja, einige wies er doch weg. Jesus schickte die wieder weg, die meinten, Jesus für ihre Ansprüche nutzen zu könnten. Er schickte die weg, die meinten, sie hätten ihm was zu bieten oder könnten ihn beeindrucken. Jesus ist nicht für solche gekommen. Er ist gekommen für die, die mit leeren Taschen und Händen und Herzen und ausgeweinten Augen vor ihm stehen und ihm nichts bieten können als Armut und Bedürftigkeit.

 

Heute feiern wir das Reformationsfest. Das ist ja gerade der Kern der Reformation, dass die Kirche das wieder lernen musste. Sie hatte es vergessen. Dass sie dem Herrn nichts zu bieten hat, aber von ihm alles zu empfangen hat. Und wir müssen es immer wieder lernen. Viele Christen meinen oft, das mit der Reformation und der Rechtfertigung des Sünders aus Gnaden allein, durch den Glauben allein, durch die Schrift allein, mit der Buße und der Vergebung der Sünden und der Gerechtsprechung durch den gekreuzigten und auferstandenen Heiland doch eigentlich nicht mehr ganz so wichtig oder aktuell ist, dass die Kirche inzwischen weitergekommen ist und wir nicht mehr immer denselben Leierkasten ankurbeln müssen. Aber mit diesem Punkt der Lehre und der Verkündigung und des Glaubens steht oder fällt die Kirche, und wir alle mit. Die Rechtfertigung ohne unser Verdienst durch Christus allein muss der Mittelpunkt, der Dreh- und Angelpunkt unserer Kirche bleiben. Genau darum geht es in den Seligpreisungen. Um Menschen, die sich nach einem Heiland sehnen. Um Menschen, die einen bekommen in Christus Jesus.

 

Der König ist gekommen, und er regiert. Er bringt sein Königreich heute schon zu uns. Der König stirbt, um deine Sünde wegzunehmen. Der König steht von den Toten auf, um die neue Schöpfung ins Leben zu rufen, um der Erste zu sein, um den Jüngsten Tag zu garantieren und ein Gericht, dass Gerechtigkeit bringt, um dir jetzt schon Heil zu geben, um dir den Heiligen Geist zu schicken, der in dir lebt und dich leitet und lehrt.

 

Der König wird vollends wiederkommen, um deine tiefste Sehnsucht zu stillen. Der König wird kommen an dem Tag, da das Trauern aufhört. Der König wird kommen und allen Hunger und Durst zu stillen. Diesem König wollen wir untertan sein. Diesem König dienen. Diesem König nachfolgen. Ihm nachzufolgen bedeutet, das Kaputte an diesem Leben und der Welt zu sehen und zu trauern und sich zu sehnen, dass alles heil wird. Diesem König nachzufolgen bedeutet, dass du und ich uns ihm anbieten als Helfer, durch die er andere segnen will. Bis dass er kommt, und leere Hände gefüllt werden, und sehnsuchtsvolle Herzen endlich, endlich getröstet werden. Bis dahin und unter diesem König werden unsere Hände zu seinen Händen für andere, um barmherzig zu sein und Liebe zu üben und Frieden zu stiften. Amen.