Tradition neu entdeckt: Die Wiederbelebung des Aschekreuz-Rituals zu Aschermittwoch in Amerikanischen lutherischen Gemeinden

Viele Gemeinden unserer Amerikanischen Schwesterkirche, der LCMS, haben in den letzten Jahrzehnten wieder die alte Sitte der Kirche eingeführt, ein Kreuz aus Asche auf die Stirn derjenigen Gemeindeglieder aufzutragen, die das wünschen. Das geschieht nun im Laufe des Aschermittwochsgottesdienstes. Das Kreuz aus Asche ist ein Zeichen der Reue und eine starke Erinnerung an die Bedeutung des Tages.

Normalerweise nimmt der Pastor die Asche auf die Daumenspitze und macht das Zeichen des Kreuzes an der Stirn von Gottesdienstbesuchern. Bei dem Auftragen der Asche spricht der Pastor einen Spruch, der sich auf 1. Mose 3,19 bezieht: „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“ Die Asche erinnert also daran, dass der Mensch sterben muss. Sie erinnert Christen aber auch daran, dass sie sich reinigen, abwaschen und läutern müssen. Wenn die Asche während einer knienden Handlung aufgetragen wird, drückt die Haltung der Niederlage und Unterwerfung die Demut vor Gott aus. Dass die Asche aber nun in Form eines Kreuzes aufgetragen wird, bringt zum Ausdruck, dass in dem Tod Jesu unser Leben zu finden ist. Weil er die Todesstrafe für uns erlitten hat, brauchen wir uns nicht vor unserem Tod zu fürchten, sondern wir wissen, dass wir durch die Taufe mit Christus verbunden sind und in seinem Leben ewiglich leben werden.

Nun, das Aschekreuz muss nicht sein, und ich habe nun auch nicht vor, diesen Brauch bei uns einzuführen. Ich möchte aber kurz eine Begebenheit aus meiner Amtszeit in Amerika erzählen: Die Asche, die am Aschermittwoch verwendet wird, stammt normalerweise von den verbrannten Palmen des vorangegangenen Palmsonntags. Zu Palmarum werden echte Palmblätter in der Kirche verwendet und dann aufbewahrt, bis sie vertrocknet sind. Im nächsten Jahr gewinnt man daraus die Asche. Das habe ich auch gemacht: Vor dem Aschermittwoch trockene Palmblätter im Hinterhof der Kirche verbrannt. Die Asche habe ich mit etwas Olivenöl verrührt, bis sie die richtige Konsistenz hatte. Dabei habe ich etwas gelernt. Man braucht bei dieser Art der Aschegewinnung sehr wenig Asche, sogar bei einer ganzen Gemeinde. Die Asche ist eben sehr schmutzig und reicht weit. Ein einziges Palmblatt reicht aus, um Asche für mehrere Jahre zu gewinnen. Das musste ich lernen – beim ersten Mal hatte ich viel zu viel.

In dieser Hinsicht lässt die Asche sich sehr gut mit der Sünde vergleichen. Denn ein wenig Sünde reicht schon aus, einen ganzen Menschen unrein zu machen. Im Jakobusbrief heißt es: „Wenn jemand das ganze Gesetz hält und sündigt gegen ein einziges Gebot, der ist am ganzen Gesetz schuldig.“ (Jak 2,10) Und so reicht eine einzige Sünde aus, um uns Menschen zu verdammen.

Wie wunderbar ist es, wie erstaunlich, welch Gnade, dass Gott der Vater uns diese herrliche Zusage macht: „das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.“ (1. Joh 1,7) Dazu ist Christus in die Welt gekommen, dazu hat er gelebt und in allen Dingen gehorcht, dazu hat er so viel Leid und Not auf sich genommen, dazu war er gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz: um uns ganz und gar reinzuwaschen von allen Sünden und uns heilig vor seinen Vater zu stellen, ohne Flecken und Runzel. Dieses große Wunder und Gottes großes Gnadengeschenk will uns die Passionszeit wieder vor Augen führen. Sie schenkt uns Gelegenheit, uns mit der Leidensgeschichte unseres Heilandes zu beschäftigen und sein Werk für uns in Anspruch zu nehmen: Sein Blut macht uns rein von allen Sünden! Dafür wollen wir Gott die Ehre geben und ihm danken, dass er sich unsere Vergebung so viel hat kosten lassen.

Der Herr segne uns die besinnliche Passions- und die herrliche Osterzeit in diesem Jahr.

Euer Pastor Böhmer