06. Sonntag nach Trinitatis (Taufgedächtnis) – 2020

Predigt zum 6. Sonntag n. Trinitatis (Taufgedächtnis), den 19. Juli 2020 | Christusgemeinde Kirchdorf,Mose 7,6-11 I.i.

Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott. Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern –, sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat. Darum hat er euch herausgeführt mit mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. So sollst du nun wissen, dass der HERR, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen. So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, dass du danach tust.

Ein gewisser Pastor hatte mal eine eigenartige Lehrmethode: Zu Anfang des Jahres stellt er vor jede Konfirmandengruppe ein großes Glas voll trockener Bohnen. Sie schreiben ihre Schätzung auf, wie viele Bohnen in dem Glas sind. Dann lässt er sie ihre Lieblingslieder auflisten. Nun sagt er ihnen, wie viele Bohnen tatsächlich im Glas sind; die Konfirmanden vergleichen ihre Schätzungen mit der echten Zahl, um zu sehen, wessen Schätzung am ehesten richtig war. Dann lenkt er ihre Aufmerksamkeit auf die Liste der Lieblingslieder. Er fragt: „Und welches von diesen ist am ehesten richtig?“ Meistens protestieren die Konfirmanden, dass es da keine „richtige Antwort“ gebe; das Lieblingslied einer Person sei reine Geschmackssache. Und dann bringt der Pastor die Sache auf den Punkt. Er fragt: „Wenn es nun geht um was ihr glaubt – ist das so wie die Anzahl Bohnen, oder eher so, wie Euer Lieblingslied?“ Immer, sagt der Pastor, bekomme er die gleiche Antwort: Beim Glauben ist es eher wie beim Lieblingslied, Geschmacksache. Daraufhin fragte jemand: „Wenn sie das sagen, konfirmieren Sie sie noch?“ „Naja“, lächelte der Pastor, „zuerst versuche ich, es ihnen auszureden.“

Vielleicht denkst Du jetzt: „Was gibt es da zu streiten? Alle Menschen sind frei, sich ihre Religion selber auszusuchen; der Glaube ist eine Frage des Geschmacks. Die freie Wahl gehört zu den Dingen, die unbedingt zu jeder Demokratie gehören, wir müssen frei entscheiden können, so ist das nun mal. Und selbstverständlich treffen wir immer die Wahl, die uns selbst am meisten Vorteil verspricht. Wir wählen den Supermarkt, der den besten Dienst liefert, das Lied, das uns am meisten bedeutet, die politische Partei, die unserer Meinung nach die besten Lösungen bietet, im Restaurant die Menüoption, die uns am meisten reizt. Wenden wir dieses Prinzip nun auf den Glauben an, dann würde das heißen, dass wir das Glaubensangebot wählen, das uns am meisten bietet, die Erklärung, die uns am vernünftigsten und attraktivsten erscheint, dass wir den Gott verehren, der uns am besten gefällt.

Nun, wenn das gilt, dann hatten die Israeliten die gleiche Freiheit, das Glaubensangebot zu wählen, das ihnen am meisten bot. Sie hatten ein Menü vor sich, konnten wie ein pingeliger Restaurantbesucher wählen: Als Vorspeise den Gott Dagon der Philister, als Hauptspeise den wilden Zeus und die Götter der Griechen, den erhabenen Osiris der Ägypter, den Wettergott Tessub der Hurriter, zum Nachtisch das Liebespaar Baal und Astarte der Kanaanäer, d.h. mal so, mal so, gerade wie es passte; sonst stand zur Auswahl auch die stets beliebte Mutter Natur, die fruchtbare Naturgöttin Gaia, oder Gold und Silber als altes Äquivalent zum allmächtigen Dollar. Warum wählten sie denn den nun diesen dreieinigen Gott? Drückte er gern ein Auge zu? War seiner der attraktivste Glaube? Bot er ihnen Macht oder Reichtum?

Nein, das kam ganz anders. Der Herr sagt zu seinem Volk: „Hört mal zu! Ich habe euch erwählt. Ich hatte auch ein langes Menü! Ich hätte irgend ein Volk erwählen können: die baumstarken Babylonier, die mächtigen Perser, die esoterischen Ägypter, die großen Griechen, die kräftigen Römer; aber aus allen Völkern der Erde habe ich dich erwählt, mein Volk zu sein. Ich habe dich erwählt zu meinem „Segullah“, d.h. zu meinem kostbarsten Besitz, zum Kronjuwel, zu meinem Schatz. Das also hatten die Israeliten allen andern Völkern voraus: dass der Schöpfer Himmels und der Erde sie erwählt hat. Er schloss mit ihnen einen Bund, er sprach zu ihnen: Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein. Das war kein Angebot. Das war die Tatsache der Wahl Gottes. Sie bedeutete, dass Israel als sein Volk allen Segen seines Bundes erfahren sollte. Sie würden mitten unter den anderen Völkern leben und durch ein heiliges Leben als Leuchtfeuer des Lichts und der Hoffnung dienen, um andere Völker missionarisch herzulocken, sodass sie es sehen und kommen und ebenfalls den wahren Gott anbeten würden.

Und nun zu dir und mir, lieber Christ. Du und ich sind nicht Christen, weil wir das für eine gute Idee hielten. Wir sind nicht Christen, weil wir den christlichen Glauben für den Attraktivsten hielten. Wir haben uns nicht hingesetzt und Allah, Buddha, Mutter Natur, die alten heidnischen Germanengötter, Konfuzius und den Krugerrand verglichen, sind nicht zu dem Schluss gekommen, dass Gott Vater, Sohn und Geist der Beste von allen war und deshalb heute Christen sind. Ganz im Gegenteil, Jesus sagt deutlich zu dir und mir: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt…“ (Joh 15,16) Gott stand auch eine lange Liste von Leuten zur Verfügung, aber er hat es den Weisen und Klugen der Erde verborgen und stattdessen Säuglingen und Kindern offenbart. Der Bund, der ursprünglich nur Juden zur Verfügung stand, ist in Christus erfüllt und für alle Völker geöffnet worden. In deiner Taufe, hat Gott zu dir gesagt: „Ich erwähle dich, du bist mein ‚Segullah‘, mein kostbarer Besitz, mein Schatz, mein Eigentum.“

Ein Far-Side-Bild von Gary Larson zeigt einen Mann, der auf seinen Hund schimpft. Auf der einen Seite sieht man, was der Mann sagt, auf der anderen Seite, was der Hund hört, und der bleibt natürlich total fröhlich, weil er nur seinen eigenen Namen raushört. Man sagt, auch Ehemänner hören selektiv. Der Mann sagt: „Wie, was jetzt?“, die Frau antwortet: „Aber ich habe es dir doch gesagt, ja, und du hast gesagt: Mhm-hmm.“ Selektives Hören. Nun, wir alle hören gerne selektiv auf das Wort Gottes. Nachdem der Herr Israel erwählte und sein Segullah nannte (2. Mose 6 u. 19), hat Israel sich wiederholt gegen Gott entschieden. Sie wollten lieber das goldene Kalb; das muss man sich vorstellen, der Gott Himmels und der Erde hat sie zu seinem Segullah gemacht, und sie, sie werfen ihm seine Wahl ins Gesicht zurück, lieber einen selbstgebastelten Gott, lieber Sklaven in Ägypten sein, als in das verheißene Land ziehen; sie meckern und murren und rebellieren auf Schritt und Tritt. Einfach erstaunlich ist es, dass Gott seine Wahl dennoch nicht rückgängig gemacht hat. Er straft und weist zurecht, aber seine Wahl steht. Hier sehen wir, dass der Herr seine Entscheidungen auf einer ganz anderen Ebene trifft als wir. Von allen Völkern der Erde wählt er nicht das stärkste, größte, angesehenste Volk aus – im Gegenteil! Mose sagt zu Israel: Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste [oder: geringste] unter allen Völkern…  Das ist nicht sehr schmeichelhaft. Aber es ist die Wahrheit. Der Herr erwählt das kleinste, bescheidenste, das unwürdigste Volk zu seinem Schatz. Er übt große Geduld und Langmut, auch als sie sich gegen ihn entscheiden. Er erwählt sie trotz ihrer Untreue und Rebellion. Und der Grund dafür? … weil er euch geliebt hat

Gott der Herr bewahre uns vor selektivem Hören! Ja, der Herr hat dich auserwählt, in der Taufe dich zu seinem Eigentum, zu seinem kostbaren Schatz gemacht. Nicht, weil du irgendwie von Natur aus besser als andere warst, mehr zu bieten hattest. Wir wollen hören auf das ganze Wort Gottes! Er sagt, dass er dich und mich trotz unserer Rebellion gegen ihn auserwählt hat. Wir haben nichts von uns aus vorzuweisen. Nun, das ist nicht sehr schmeichelhaft. Aber es ist die Wahrheit. Und es ist eine ungeheure Erleichterung! Du brauchst Gott dem Herrn gegenüber nichts vorzutäuschen, als wärst du etwas, was du nicht bist. Nein, er will sogar, dass du es zugibst. Lieber Freund, Jesus kam nur für Sünder. Er will nur Sünder haben, ist nur für sie da. Wenn du selbst den besten Glauben wählen könntest, dann bräuchtest du Jesus nicht. Er hätte ebenso gut nicht zu kommen brauchen. Aber er ist gekommen, weil wir Sünder sind, weil wir ihn brauchen, er ist gekommen, weil wir mit der Wahl, die wir getroffen hätten, für immer verloren wären, Jesus ist gekommen, um für euch zu leben und für euch zu sterben und für euch wieder aufzustehen, um euch in der Taufe zu seinem Segullah zu machen.

Auch hier müssen wir uns davor hüten, selektiv zu Hören: Ja, Gott hat dich erwählt. Es geht um seine Wahl. Aber auch du hast eine Wahl. Jeden Tag. [Gott der Herr] vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen. Hassen heißt auch, gegen Gott zu entscheiden. Der Herr macht es dir möglich, eine Wahl zu treffen. Eine andere Menüoption zu wählen. Stell dir einen Bettler vor, der in Lumpen ein elendes Dasein führt, und ein wohlhabender, mächtiger König kommt vorbei, erbarmt sich über ihn, nimmt den Bettler bei der schmutzigen Hand und sagt: „Ich erwähle dich zu meinem Sohn. Ich adoptiere dich. Alles sollst du haben – Sicherheit und Geborgenheit und Zugehörigkeit, Reichtum und Status, mein ganzes Erbe. Alles gehört dir. Nun hat der Bettler täglich eine Wahl. Er kann sich freuen und dankbar sein und beim König bleiben. Oder aber er kann sagen: „Nein danke, ich geh lieber meinen eigenen Weg, lass mich in Ruhe!“ Ein Getaufter, der nicht nach Gottes Geboten und Willen lebt, der lehnt die Wahl Gottes ab. Das ist wie ein kostbarer Ring einer Prinzessin, den der Duft von Schweinestall reizt, lieber einer Sau im Ohr zu hängen, weil das Schweineleben ihm mehr verspricht, bis er von Schweinen in die Schweinereien getreten wird. Lieber Christ, dies ist eben nicht wie bei deinem Lieblingslied, es ist keine Geschmacksache, hier geht es wie bei den Bohnen um richtig und falsch, Gnade und Rebellion, Leben und Tod! Deshalb ruft Gottes Wort dir zu: So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, dass du danach tust.

Es ist viel sicherer, darüber zu sprechen, dass Gott dich erwählt hat, als wenn du ihn erwählt hättest. Wenn du dich für Gott entschieden hättest, dann müsstest du in Zeiten der Anfechtung immer zweifeln, dich immer fragen: Habe ich wirklich die richtige Wahl getroffen? In Zeiten des Zweifels, der Krankheit, des Leidens, der Not sagt der Herr dir ins Ohr: Höre auf mich. Ich, ich habe mich für dich entschieden. Du bist mein Schatz, mein Segullah. Es wird alles gut. Glaube mir! Ich ziehe meine Wahl nicht zurück! In Zeiten großer Anfechtung schrieb Luther mit dicker Kreide auf den Schreibtisch: „Baptizatus sum“ – ich bin getauft. Er erinnerte sich selbst und im Gebet Gott den Herrn an seine Wahl. So auch du. Deine Taufe ist das königliche Siegel, mit dem der Herr dich als sein Eigentum gekennzeichnet hat. Jeder Tag, den du lebst, ist ein Tag der Gnade, an dem der Herr dich einlädt, ein heiliges Leben zu führen als sein Schatz. Schließlich gehörst du zum auserwählten Volk des Herrn. So sollst du nun wissen, dass der HERR, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten.  Ja, das sollst du wissen, hier siehst du deinem Gott ins Herz. Amen.

Soli Deo Gloria

Pastor Dr. Karl Böhmer


06. Sonntag nach Trinitatis (Taufgedächtnis)

Wochenspruch
So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Jesaja 43, 1

Introitus – Nr. 47 (Jesaja 43, 1; Psalm 100, 1 – 3a)

Epistel
Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn  wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden, und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen. Denn was er gestorben ist, das  ist er der Sünde gestorben ein für allemal; was er aber lebt, das lebt er Gott. So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.

Römer 6, 3 – 11

Hauptlied
Ich bin getauft auf deinen Namen 47
Durch Adams Fall ist ganz verderbt 244

Evangelium
Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu  Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Matthäus 28, 16 – 20


Liturgische Farbe: grün

Festzeit: Trinitatiszeit

Wochenspruch: Jes 43,1

Wochenpsalm: Ps 139

Eingangspsalm: Ps 19, Ps 36, Ps 67, Ps 84, Ps 113

Epistel: Röm 6,(3-8) 9-11

Evangelium: Mt 28,16-20

Predigttext: 5. Mose 7,6-12

Wochenlied: 200


06. Sonntag nach Trinitatis (Taufsgedächtnis)

Erklärung zu den Perikopen:

Die biblischen Predigttexte sind aufgeteilt in die Perikopenreihen I bis VI. Jede Reihe gilt – beginnend mit dem 1. Advent – fortlaufend für ein ganzes Kirchenjahr (aktuelle Reihe = III). Die einzelnen Reihen haben verschiedene Schwerpunkte (Evangelien, Briefe usw.).

I(Evangelium): Mt 28,16-20

II: Röm 6,(3-8) 9-11

III: 5. Mose 7,6-12

IV: Apg 8,26-39

V: Jes 43,1-7

VI: 1. Petr 2,2-10