Predigt zum Sonntag Lätare, Christusgemeinde Kirchdorf, den 30. März 2025 | Joh 6,47–51
Wer aufhören will, zu rauchen, findet es unerträglich, unter anderen Rauchern zu sein, die weiterpaffen. Wer fastet, findet es schwer, in eine Bäckerei zu gehen und dort den Duft einzuatmen. Da ist es doch merkwürdig, dass wir mitten in der Fastenzeit von Essen hören! So beginnt Joh 6. Tausende hungrige Menschen lagern sich, Jesus vermehrt 2 Fische und 5 Laib Brot, dankt und teilt aus, alle essen, es bleibt übrig. Als alle satt sind, werden sie aufgeregt, reden unter einander: Hat Mose nicht gesagt, einen Propheten wie mich wird Gott erwecken? Dieser Jesus tut, was Mose getan hat! Er ist der Prophet wie Mose!
Stellt euch vor, was es mit der Arbeitsmoral der meisten Menschen machen würde, wenn sie garantiert einmal am Tag soviel zu essen bekämen, wie sie wollten? Kein Wunder, dass sie Jesus zum König machen wollen. Kein Wunder, dass es zum Streit kommt, als Jesus ihnen erklärt, wozu er gekommen ist. Denn alle erwarteten, wenn der Messias kommt, dann gibt er Manna, genau wie Mose es getan hatte. Aus dem Manna hatten die Israeliten damals Brot gebacken. Es war lecker – schmeckte wie Semmeln mit Honig – und es kam jeden Morgen neu vom Himmel, das muss wunderbar gewesen sein! Das, so meinen die Menschen, darf ruhig wieder kommen, und Jesus ist der Messias, der es bringt.
Aber Jesus verpasst ihnen eine kalte Dusche. [49] Diese Menschen leiden unter dem Syndrom der „guten alten Tage“. Da nimmt man die Geschichte und schmiert den dicken Sirup der Nostalgie darüber, man erinnert sich an all das Gute und vergisst all das Böse. Ach, dass es doch wie damals wär! Doch kommt die Zeit nicht wieder her. Damals, als Gummistiefel noch aus Holz waren. Aber Jesus muss ihre selektive Erinnerung wieder auffrischen. Wieso haben die Leute überhaupt das Manna in der Wüste bekommen? Weil sie gemurrt hatten. Statt Gott um Essen zu bitten, hatten sie sich geärgert, hatten geklagt und gemurrt.
Es gibt eine deutsche Postkarte, auf der ist eine lachende Ziege zu sehen, die sich auf die Stalltür stützt, darunter steht der Spruch: Hier wird nicht gemeckert! Aber die Israeliten haben die Postkarte nicht gelesen und meckerten kräftig weiter. Sie schimpften: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des Herrn Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. (2. Mo 16,3) Wir denken an die Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, und an die Kürbisse, die Melonen, den Lauch, die Zwiebeln und den Knoblauch. Nun aber ist unsere Seele matt, denn unsere Augen sehen nichts als das Manna. (4. Mo 11). Als die Menschen Hunger hatten, meckerten sie; als sie satt waren, blieben sie undankbar; immer wieder hatten sie Lust auf was Neues.
Wenn man in Wartburg eine Umfrage starten und nur eine Frage stellen würde: „Worauf hast du Hunger?“, wie würden die Antworten ausfallen? Einige würden wohl mit „Samp und Bohnen“ antworten, andere mit Madumbis und andere mit Matschontschanes und wieder andere mit Matunjanes. Wenn Gott der Herr nun käme und von heute auf Morgen allen Menschen in Wartburg diese Wünsche erfüllte, was dann? Würden alle Gott dafür danken? Würden sie zu ihm beten? Würden sie an ihn glauben? Hätten sie keine Bedürfnisse mehr? Aus der Geschichte und der Erfahrung wissen wir: Wenn eine starke Sehnsucht befriedigt wird, kommt gleich die nächste. Und die Zufriedenheit rückt dabei immer weiter in die Ferne. Wer ein Fahrrad hat, will ein Auto, und wer einen Polo hat, will einen Tiguan, und so steigern sich die Wünsche. Und je mehr sich die Wünsche steigern, desto weniger kümmert man sich um den Geber, um Gott selbst – er rückt in immer weitere Ferne. Und so bleibt bei der nimmer endenden Sucht nach mehr eine Leere im Menschen, eine Sehnsucht, die unbefriedigt bleibt.
Von den San Buschmännern wird berichtet, dass wenn sie quälenden Hunger hatten, sie Stämme von bestimmten Kaktuspflanzen abschnitten und darauf kauten. Ein Wirkstoff in diesen Kaktusstämmen täuscht das Gehirn, sodass man sich satt fühlt, als wenn man sich sattgegessen hätte. Wer in diesem Leben von einem zum Nächsten geht und nur einen Appetit nach dem nächsten stillen will, ist wie ein Buschmann, der meint, eine Handvoll Rosinen und viel Kauen am Kaktusstamm wird ihm reichen. Er mag sich vorübergehend satt fühlen, aber schlussendlich muss er sterben. Christus spricht: [49] Das Manna stillte vorübergehend ihren Hunger; aber es war ein vergänglicher Hunger nach vergänglicher Nahrung, und irgendwann sind sie alle gestorben.
Doch hinter vielen anderen Sehnsüchten steckt ein andauernder Hunger, eine dauerhafte Sehnsucht in uns allen, die wir empfinden, wenn wir in uns hineinhorchen. All die anderen Sehnsüchte im Leben können den größeren, tieferliegenden Hunger in uns für eine Weile unterdrücken, aber sie können ihn nicht stillen. Es ist ein seelischer Hunger. Ein Herzenshunger. Ein Hunger nach Gerechtigkeit. Ein Hunger nach ewigem Sinn. Ein Hunger nach Seligkeit, ein Hunger nach Vergebung, ein Hunger danach, von Gott geliebt zu sein, bei ihm zu sein. Ein Hunger nach ewigem Frieden mit Gott.
Jesus spricht: [50–51b] Aber was heißt es hier, von diesem Brot Christus zu essen? In erster Linie bedeutet es, an Christus zu glauben. So erklärt er es: [47b] Und damit es keine Verwirrung, kein Verwechslung und keine Missverständnisse gibt, sagt Jesus es so geradeaus wie möglich: [51b] Damit sagt Jesus: Das Brot, das euren Seelenhunger, euren Herzenshunger stillt, das bin ich. Nicht das, was ich repräsentiere, nicht das, was Menschen aus mir machen – nein, ich, ich selbst, ich bin das Brot des Lebens.
Wer Zulu sprechen kann, der weiß, dass man sich ganz einfach ausdrücken kann: „Ngiyisinkwa sokuphila.“ Ich bin das Brot des Lebens. Aber man kann es auch mit größerem Nachdruck sagen: „Mina ngiyisinkwa sokuphila.“ So ist es auch im Hebräischen und im Griechischen. „Eἰμι ὁ ἄρτος τῆς ζωῆς.“ „Ἐγώ εἰμι ὁ ἄρτος τῆς ζωῆς.“ Auf Deutsch kann man das nur wiedergeben, indem man das Wort wiederholt: „Ich, i c h bin das Brot des Lebens.“ Jesus legt den Nachdruck auf sich selbst. Aber nicht nur das. Mit diesem Ich-bin-Wort spielt er bewusst an auf den Gottesnamen Jahweh – ich bin, der ich bin. Damit macht Jesus deutlich: Er ist Gott selbst. Nur er ist es, der unseren Herzenshunger stillen kann Wenn du an ihn glaubst, Gott im Fleisch, Jesus, den Messias Gottes, dann wird dein Hunger für immer gestillt – dein Hunger nach dem Dazugehörigkeitsgefühl, dein Hunger nach Sinn im Leben, dein Hunger danach, von Gott geliebt zu sein. Dieser Hunger wird in Christus gestillt. Er stillt diesen Hunger. Wer an ihn glaubt, hat das ewige Leben. Schon jetzt.
Und wenn Jesus sagt: [51c], dann deutet er damit auf das Abendmahl hin, denn da gibt sich dieser Jesus, Gott im Fleische, uns zu essen und zu trinken. Da stillt er unseren Hunger. Und es bleibt dennoch ein Vorgeschmack auf die Erfüllung, die uns in der Ewigkeit bei ihm erwartet.
In dem Lied wird die Frage gestellt: Wer will denn schon für immer leben? Der Gedanke, ewig zu leben, ist vielen Menschen nicht unbedingt willkommen, denn man nimmt das jetzige Leben mit all seinen Kämpfen und all seinen Bedürfnissen und all seiner ungestillten Sehnsucht und projiziert es auf die Ewigkeit. Aber solch eine Ewigkeit wäre schrecklich. Es würde bedeuten, auf ewig hungrig zu sein. Doch mit Jesus zu leben und durch Jesus zu leben und in ihm das ewige Leben zu haben bedeutet das Ende der Sucht, bedeutet unbeschreiblich schönes Sattsein, ewige Erfüllung, liebliches Leben mit Seelenfrieden, eine tiefgründige Freude, die niemals aufhört und uns keiner nehmen kann, sondern ewig dauert. Das haben wir in Christus, dem Brot des Lebens. Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit (58). Das schenke Gott uns allen. Amen.
Soli Deo Gloria
Latäre (Das Brot des Lebens)
Wochenspruch
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt
es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Johannes 12, 24
Introitus – Nr. 24 (Jesaja 66, 10; Psalm 84, 6 u 8)
Epistel Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben.
2. Korinther 1, 3 – 7
Hauptlied
Jesus, meine Freude 332
Evangelium Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr wir wollten Jesus gerne sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen’s Jesus weiter. Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben lieb hat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s erhalten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.
Johannes 12, 20 – 26
Lehrgottesdienst
liturgische Farbe: violett
Festzeit: Fastenzeit
Wochenspruch: Joh 12,24
Wochenpsalm: Ps 84
Eingangspsalm: Ps 34
Epistel: 2. Kor 1,3-7
Evangelium: Joh 12,20-26
Predigttext: Joh 6,55,65
Wochenlied: 98 und 396
Erklärung zu den Perikopen:
Die biblischen Predigttexte sind aufgeteilt in die Perikopenreihen I bis VI. Jede Reihe gilt – beginnend mit dem 1. Advent – fortlaufend für ein ganzes Kirchenjahr (aktuelle Reihe = III). Die einzelnen Reihen haben verschiedene Schwerpunkte (Evangelien, Briefe usw.).
I(Evangelium): Joh 12,20-26
II: 2 Kor 1,3-7
III: Joh 6,55,65
IV: Phil 1,15-21
V: Joh 6,47-51
VI: Jes 54,7-10