Es klingt wie eine Geschichte aus dem Wilden Westen. Da geht der Pastor der Stadt hin und hält draußen vor der Stadt eine öffentliche Rede. Er kritisiert die Regierung mit scharfen Worten und wirft ihr Unfähigkeit und Untreue und Versagen vor. Er hält eine Bußpredigt, dass den Leuten die Ohren gellen, dass ihnen unwohl zumute wird, und niemand will mehr zuhören, aber gleichzeitig können sie nicht weggehen, sie müssen hinhören, und dann hält der feurige Pastor nach seiner hitzigen Rede eine große Vase hoch, und alle starren gebannt drauf, und dann wirft der Pastor die Vase zu Boden und sie zerspringt mit lautem Klirren in tausend Scherben. Und der Pastor hält drohend den Zeigefinger in die Luft und sagt: „So wird es euch gehen, das wird Gott mit euch machen.“ Aber der wichtige Mann, der von der Stadt angestellt ist, um für Ordnung in der Kirche zu sorgen, hört sich das alles an, greift den Prügel in seiner Hand, geht auf den Pastor zu und schlägt ihm den Prügel durchs Gesicht, dass die Menschen entsetzt zurückspringen. Er schlägt den Pastor zu Boden, und dann packt er ihn am Kragen und schleift ihn hinter sich her nach draußen bis zum Tor und stellt ihn an den Pranger, schließt seine Arme und Beine in den Block und lässt ihn sitzen. Und geht davon. Erst am nächsten Morgen lässt man den Pastor frei.
Aber es ist keine Geschichte aus dem wilden Westen. Das hat sich alles zugetragen in der Stadt Jerusalem. Und der Pastor, das war der Prophet Jeremia, und der wichtige Mann, der hieß Paschhur, und der hat tatsächlich Gottes Prediger zusammengeschlagen und in den Block geschlossen. Am nächsten Tag kommt der zerschundene Jeremia frei. Kurz darauf zerbricht etwas in ihm, die Dammmauer in seinem Herzen zerbricht und es rauscht und brodelt eine heftige Sturmflut an Klagen, die Jeremia an Gott richtet. „Du!“, schreit er. „Herr, du warst das.“ [7a] Beim hebräischen Wort für „überreden“ schwingt mit ein Unterton der Verführung, wie wenn ein Mann eine unschuldige Frau verführt. Jeremia klagt Gott verbittert an: „Herr, du hast das getan! Hast mich verführt, dein Prediger zu sein, und ich habe mich verführen lassen. Du hast meine Dummheit ausgenutzt, Herr, und ich habe mich dumm machen lassen! Du bist mir zu stark geworden und hast mich untergekriegt.
Bestimmt denkt Jeremia dabei an seine Berufung. Gott war zu ihm gekommen, damals, hatte zu ihm gesagt: „Jeremia, ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleib bereitete, und sonderte dich aus, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.“ Herrliche Worte, nicht? Jeremia versuchte, auszuweichen, abzulehnen, ach Herr, ich bin zu jung! Aber der Herr ließ sich nicht abweisen, setzte sich durch: „Geh nur ruhig hin, ich bin bei dir, ich lege meine Worte in deinen Mund, hab keine Angst vor den Leuten.“ „Ja,“ sagt Jeremia, „und jetzt? Guck mich an. Sieh, welch Schade und welche Schande mir passiert ist.“
„Nun lacht alle Welt mich aus. Den ganzen Tag machen sie sich über mich lustig. Weil ich ständig dein Gericht ankündigen muss. Und was hab ich davon? Ich werde zusammengeschlagen wie ein Krimineller in der Öffentlichkeit. Die Menschen wollen es nicht mehr hören, können es nicht mehr hören: Gericht, Gewalt, Zerstörung. Ich bin wie der Hirtenjunge, der immer wieder ‚Wolf!‘ geschrien hat, und später glaubte ihm keiner mehr.“
Ein Pastor, dem keiner mehr glaubt – was bleibt ihm denn noch übrig? Welch furchtbare Erfahrungen mit Gott spricht der Prophet hier aus. Erfahrungen, die uns erschrecken – die uns aber vielleicht gar nicht so fremd sind. Ich denke an einen Menschen, der sein ganzes Leben lang treu seinen Glauben ausübte und alles für seine Gemeinde tat. Und dann trifft ihn ein Unfall und ein Schlag nach dem nächsten. Und man fragt sich, was ist das für ein Gott, wie reimt sich das zusammen? Ich denke an Christen, die nach vielem Beten eine Entscheidung treffen und einen Schritt wagen – und dann endet das Wagnis in einem Desaster und geht nicht auf und kommt so anders, als sie es sich vorgestellt hatten.
Jeremia hatte den persönlichen Widerstand gegen ihn irgendwann so satt, dass er beschloss, erstmal gar nichts mehr zu sagen. Er versuchte, zu schweigen, sich zu entziehen, nicht länger die Botschaft zu verkündigen, die Gott ihm in den Mund gelegt hatte. Aber schon bald merkte er: Das geht nicht. Ich kann nicht den Mund halten. Gottes Wort muss raus! Es brennt in meinen Knochen wie ein Feuer, und wenn ich es nicht sage, dann geh ich selber daran kaputt.
Ihr Lieben, so mancher Pastor hat sich schon in einer ähnlichen Lage befunden wie Jeremia. Hat sich auf die Berufung ins Amt eingelassen und musste dann Widerstand erfahren, und zwar von den gleichen Leuten, die ihn berufen hatten. Es fällt jedem Pastor schwer, Dinge anzusprechen, die ihn nicht beliebt machen, über die Menschen sich vielleicht so richtig aufregen. Die Gefahr für Pastoren ist die gleiche wie für Jeremia: Dass wir die Dinge sagen, die Menschen gefallen, und die Aspekte des Wortes Gottes verschweigen, die für Unbeliebtheit sorgen. Jeremias Beispiel macht ganz deutlich, dass es gefährlich sein kann, Gottes Bote zu sein, dass der Pastor und die Gemeinde wissen muss, dass er seinen Dienst letztlich nicht vor Menschen, sondern vor Gott verantworten muss, der ihn zur Rechenschaft ziehen wird.
Für den Christen ist es auch oft ähnlich. Als Christ kann man nicht zu allem schweigen, was man erlebt, was so gesagt wird und getan wird. Der Christ ist dazu berufen, nach Gottes Wort zu leben und Gottes Wort zu sagen, auch wenn es ihn unbeliebt macht. Menschenfurcht und Menschengefälligkeit dürfen weder den Pastor noch dem Gemeindeglied Angst machen, sodass wir schweigen. Wir müssen daran festhalten, dass Gott der Herr nicht nur als Licht der Welt, sondern auch als Salz der Erde in dieses Leben gestellt hat. Wenn schon Gottes auserwählte Propheten Widerstand bekommen haben, können wir nicht damit rechnen, ein Leben der steten Gemütlichkeit zu führen. Im Gegenteil! Christus macht deutlich, dass wir nicht nur das Leiden und das Kreuz Christi verkünden sollen, sondern dass wir auch daran Anteil haben sollen. Wer mir nachfolgen will, der nehme nicht sein Sofa auf sich, sondern der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach! Auch Jeremia hatte Gott nicht blendenden Erfolg oder eine glatte Sache versprochen, sondern er hatte von vornherein zu Jeremia gesagt: wenn sie auch wider dich streiten, werden sie dir dennoch nichts anhaben können; denn ich bin bei dir, spricht der Herr, dass ich dich errette.
So ist es mit uns. Die Nachfolge Christi bringt Kreuz und Leiden auch für seine Diener und Nachfolger. Und lohnt sich trotzdem allemal. Luther sagt, „Gott erhebt die Heiligen durchs Wort und den Heiligen Geist und stürzt sie nachher in alle Anfechtung und Gefahren hinab, damit er erwiese die Macht seines Wortes, welches die ganze Welt im Sein erhält.“ Wie Gott uns aus Anfechtung und Not heraushilft, das sieht man immer nur im Nachhinein. Irgendwann merkt man doch: Der Herr war da! Und er hat geholfen. Dass wir heute Jeremias Worte hören dürfen, ist ein Beweis dafür, dass Jeremia doch wieder ins Licht gekommen ist – er hätte uns dies sonst nicht sagen können. Dass Jeremia sich bei Gott beklagt hat, als es ihm so richtig dreckig ging: Das war gut. Denn er hat sich Gott gegenüber ausgesprochen, der für solche Fälle immer die richtige Adresse ist. Jeremia ist mit seinen Erfahrungen nicht der einzige; so war es immer wieder. Jesus spricht nicht umsonst in Mt 5: Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen. Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.
Ihr Lieben, auch wenn wir das nicht gerne hören wollen: In uns allen steckt eine Liebe zur Gemütlichkeit, wir sind leidensscheu, passen uns lieber an, als aufzufallen. Aber die großen Dinge haben immer nur die Christen vollbracht, die sich nicht geschont haben. Gottes Wort lässt uns nicht, wie wir sind, sondern es deckt unsere Herzen und Gedanken und Gefühle auf. Gott hat versprochen, dass sein Wort Widerstand und Widerspruch hervorrufen wird. Wir sollten nicht immer nur sehen auf die Opfer, die Gott von uns verlangt, sondern uns wundern und ihm danken, dass er so wenig von uns verlangt und so viel schenkt.
Ja, und mehr, er hat seinen eigenen Sohn zu den Menschen gesandt. und was hat Jesus erleben müssen? Widerstand gegen seine Person, gegen sein Wort, er musste wegen seines Auftrags leiden, viel schlimmer als Jeremia, bis dass er am Kreuz gerufen hat: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Das sind Abgründe, die wir nie zu erfahren brauchen, weil Christus sie durch seinen Tod am Kreuz für uns zugeschüttet hat, immer ist in unseren dunklen Zeiten Gott nah, ist er da, verlässt er uns nicht, hilft er uns hindurch. Und so ruft auch Jeremia: [11] Da müssen wir fragen: Na, Jeremia, was hat sich denn geändert, dass du so sprechen kannst? Hat deine Lage sich geändert? „Nein“, lacht Jeremia, „ich bin anders geworden. Gott hat mich verändert.“ Das tut Gott der Herr auch mit dir und mir. Er hört nicht nur unsere Lob- und Danklieder, sondern er hört auch unsere Klagelieder, und dann kommt er uns nah und hilft uns tatsächlich.
Auf Christus weisen die Worte des Jeremia, die wir gehört haben, auf diesen Christus, auf den wir blicken sollen und dürfen, auch wenn wir Gott so gar nicht verstehen können, der auch heute seinen Boten Widerstände nicht erspart. Diesen Christus mit ganzem Ernst zu verkünden, das ist bis heut Auftrag der Kirche. Nicht nur im wilden Westen, sondern auch im wilden Süden. Diesen Christus wollen wir bekennen, mit ihm durch Leben gehen, auch trotz aller gegenteiligen Erfahrungen.
„Fällt’s euch zu schwer, ich geh voran, / ich steh euch an der Seite, / ich kämpfe selbst, ich brech die Bahn, bin alles in dem Streite.“ Danke, Herr. Amen.
Okuli (Das Lamm Gottes)
Wochenspruch
Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Lukas 9, 62
Introitus – Nr. 23 (Psalm 25, 15; Psalm 34, 16 u 20)
Epistel
So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.
Epheser 5, 1 – 8a
Hauptlied
Wenn meine Sünd mich kränken 162
Evangelium
Als Jesus und seine Jünger auf dem Wege nach Jerusalem waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Lukas 9, 57 – 62
liturgische Farbe: violett. Festzeit: Fastenzeit.
Wochenspruch: Lk 9,62
Wochenpsalm: Ps 34b
Eingangspsalm: Ps 34
Epistel: Eph 5,1-8a
Evangelium: Lk 9,57-62
Predigttext: Mk 12,41-44
Wochenlied: 82 und 96
Erklärung zu den Perikopen:
Die biblischen Predigttexte sind aufgeteilt in die Perikopenreihen I bis VI. Jede Reihe gilt – beginnend mit dem 1. Advent – fortlaufend für ein ganzes Kirchenjahr (aktuelle Reihe = III). Die einzelnen Reihen haben verschiedene Schwerpunkte (Evangelien, Briefe usw.).
I(Evangelium): Lk 9,57-62
II: Eph 5,1-8a
III: Mk 12,41-44
IV: 1. Petr 1,(13-17) 18-21
V: Jer 20,7-11a (11b-13)
VI: 1. Kön 19,1-8 (9-13a)