Karfreitag (Die Erhöhung ans Kreuz) – 2025

Es heißt kol auf Hebräisch, pas auf Griechisch, omnis auf Latein, todos auf Spanisch, konke auf Zulu. Es ist der Superlativ: Das Wort „alles“. Seine Geschwister sind komplett, völlig, vollständig, gänzlich, restlos, ganz, total. Auch verwandt sind die Begriffe aufs Ganze gehen, die volle Schose, das volle Programm mit allem Drum und Dran.

Alles. Es ist der Superlativ im Superlativ aller Abschnitte im Alten Testament, das vierte Gottesknechtslied bei Jesaja. Hier sagt der Herr: Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein. Die hebräischen Verben, die mit erhöht und erhaben sein wiedergegeben werden, die benutzt Jesaja nur ein weiteres Mal, um jemanden zu beschreiben, nämlich den König, den der Prophet in 6,1 sieht: „In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron“. Diesem Herrn gelten die Rufe der Seraphim in Vers 3, „Heilig, heilig, heilig“. In Vers 5 nennt der Prophet ihn „den König, den Herrn“ der Heere. Der Knecht und der Herr sind ein und derselbe. Dieses Geheimnis wird in der Schrift nicht deutlich ausgesprochen bis der Herr Jesus sagt in Joh 10,30 Ich und der Vater sind eins. Dieser Knecht Gottes hatte alles.

Er würde es auch brauchen, denn das vierte Gottesknechtslied Jesajas war für Gottes Kinder in der Gefangenschaft gedacht, die ein anderes Lied sangen. Nämlich Ps 137,4 „Wie könnten wir des Herrn Lied singen in fremdem Lande?“ Sie befanden sich dort wegen ihrer Sucht nach Sünde.

1969 wurde ein Experiment durchgeführt. Ein Wissenschaftler stellte einer Anzahl Affen Kokain zu Verfügung. Sie brauchten nur einen Hebel zu betätigen, und schon bekamen sie einen Stoß Kokain. Schon bald waren die Affen süchtig nach dem Kokain – und dauernd bekifft. Aber dann begann der Wissenschaftler, den Affen die Droge vorzuenthalten. Wie oft nacheinander betätigte der Durchschnittsaffe den Hebel in seiner Sucht nach dem nächsten Kokainrausch? Antwort: 12.800mal. Kann man sich vorstellen, wie die Affen immer und immer wieder den Hebel betätigen? Ich muss es haben! Ich muss es haben, jetzt und hier!

So ähnlich geht es uns in unserer Sucht nach Sünde. Wir sind fixiert auf das Afterreden, auf Zorn, Sorge, Faulheit, Ausreden, Selbstsucht. Immer wieder die Abwärtsspirale; gefangen im Zwang; wir kommen ins Stocken und bleiben stecken. Immer wieder betätigen wir den Hebel. Ich muss es haben! Ich muss es haben! Und was kommt dabei raus? Wir fallen mit Israel ein und singen das Klagelied: „Wie könnten wir des Herrn Lied singen in fremdem Lande?

Solchen Gefangenen singt Jesaja ein anderes Lied: Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein. (52,13) Er hatte alles. In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig (Kol 2,9) Er ist der Abglanz von Gottes Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort (Hebr 1,3). Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Jesus ist nicht bloß der Assistent des Vaters. Er ist nicht Vizepräsident des Universums. Nein. Er ist vollwertiges Glied der Gottheit, dem Vater in allen Dingen ebenbürtig, und das von Ewigkeit her. Das nizänische Glaubensbekenntnis sagt es so: Jesus ist „eines Wesens mit dem Vater.“ Dieser Knecht hatte wirklich alles.

Und dieser Knecht gab auch alles. Jes 53 sagt es so: Er war der Allerverachtetste und Unwerteste … geplagt und von Gott geschlagen und gemartert … verwundet … zerschlagen … wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird … wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer … aus dem Lande der Lebendigen weggerissen… man gab ihm sein Grab bei Gottlosen. Darum sagt der Prophet in 52,14, dass sich viele über ihn entsetzten – so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch. Dieser Knecht hat alles gegeben, jeden letzten Tropfen Blut.

Dieser Knecht leistet auch alles und hält alles und liefert alles. So singt der Vater in Jes 53,11 Durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden. Der Knecht liefert, was Gefangenen wirklich brauchen – Vergebung. Die Vergebung ist das Herzstück von Jesajas eigener Erfahrung. Jesaja erlebt das selber in Jes 6,6-7 Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei.

Von dem Altar namens Golgotha rührt Gott uns an mit bluterkaufter Vergebung. Die Absolution spricht sie euch zu. Das Taufbecken besiegelt sie. Der Tisch des Herrn feiert sie. Paulus sagt das aus in Phil 4,19 Mein Gott aber wird all eurem Mangel abhelfen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus. Alles. Komplett, völlig, vollständig, gänzlich, restlos, ganz, total. Die volle Schose, das volle Programm mit allem Drum und Dran. Er hatte es. Er gab es. Er leistet es, er liefert es, denn so wurde es geplant.

Jes 53,10 sagt aus, so wollte der Herr es. Zitat: des Herrn Plan wird durch ihn gelingen. Der Herr hat es so gewollt! Der Karfreitag ist nicht nur eine bewegende Tragödie. Er war auch nicht bloß eine Verlegenheitslösung. Er war auch nicht des Vaters Kurzschlussreaktion auf eine Welt, die dem Untergang entgegengeht. Der Karfreitag war Gottes Wille. Das Kreuz war schon von Anfang an Teil des Plans, vorherbestimmt; Golgatha ist der entschlossene Plan des Vaters vor der Erschaffung der Welt.

Was bedeutet das? Es bedeutet, dass Jesus absichtlich dem Baum gepflanzt hat, aus dem sein Kreuz eines Tages gebaut wurde. Es bedeutet, dass er die politische Maschinerie in Gang gesetzt hat, die Pilatus nach Judäa und Herodes nach Jerusalem berief. Und: es bedeutet, dass er das nicht alles tun musste – sondern dass er das alles getan hat für dich und für mich!

Unser klägliches Klagelied kennt nur Gekettetsein, Gefangenschaft und Sucht. „Wie könnten wir das Lied von Zion singen in fremdem Lande?“ Das wird übertrumpft in Jesajas Lied das Vergebung, Freiheit und göttliche Gnade schenkt. Wenn uns die Worte des vierten Gottesknechtsliedes zu Ohren kommen und zu Herzen gehen können wir nicht anders als mit den Worten eines letzten Liedes zu antworten:

Deine Demut hat gebüßet / meinen Stolz und Übermut, / dein Tod meinen Tod versüßet; / es kommt alles mir zugut. / Dein Verspotten, dein Verspeien / muss zu Ehren mir gedeihen. / Tausend-, tausendmal sei dir, / liebster Jesus, Dank dafür. Amen.


Karfreitag (Die Erhöhung ans Kreuz)

Tagesspruch
Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Johannes 3, 16

Introitus – Nr. 28 (Johannes 1, 29; Psalm 22, 2 u 20)

Epistel

[Wenn einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben. Und er ist darum für alle gestorben, damit, die da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. Darum kennen wir von nun an niemanden mehr nach dem Fleisch; und auch wenn wir Christus gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt so nicht mehr. Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Aber das alles von Gott, der uns mit sich selber versöhnt hat durch Christus und uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt.] Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

2. Korinther 5, [14b – 18] 19 – 21

Hauptlied
Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld 158

Evangelium

Pilatus überantwortete Jesus, dass er gekreuzigt würde. Sie nahmen ihn aber, und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der König der Juden. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern, dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. Als aber die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch das Gewand. Das war aber ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns das nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt: „Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.” Das taten die Soldaten. Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! und neigte das Haupt und verschied.

Johannes 19, 16 – 30