Quasimodogeniti (Die Wiedergeburt) – 2021

Predigt zu Quasimodogeniti, den 11. April 2021

Christusgemeinde Kirchdorf


Das habt ihr bestimmt schon gesehen: Den Film nach dem Film. Den Director’s Cut, das kleine Stückchen am Ende des Films, der die Leute belohnt, die wie ich gern mal den ganzen Abspann (credits) und die Musik bis zum Ende durchstehen. Da gibt’s öfters zum Schluss noch diesen kleinen Director‘s Cut, der am Ende eingefügt wird. Das Stückchen extra. Das ist es, was Johannes Kapitel 21 ist. Es ist der Director’s Cut am Ende des Johannesevangeliums, ein bisschen mehr für den Leser, der einfach nicht genug bekommen kann.

Joh 20 endet mit einem Fußmarsch zum leeren Grab, der Auferstandene zeigt sich Maria Magdalena, den zehn Aposteln, am folgenden Sonntag den zehn plus Thomas; Jesus zeigt ihnen seine Wunden, haucht ihnen seinen Geist ein, bevollmächtigt sie, Sünden zu vergeben, und schickt sie los, um sein Werk des Vergebens und Bindens zu tun. Und dann heißt es: „Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.“ An und für sich ein wunderbar sinnvoller Abschluss. Doch nun kommt noch das bisschen Extra, der Zusatz, und hier laufen mehrere Fäden zusammen und werden noch einmal schön abgebunden: Irgendwann in den 40 Tagen zwischen Jesu Auferstehung und seiner Himmelfahrt treffen sich Simon Petrus, Thomas, Nathanael, die Zebedäus-Brüder Jakobus und Johannes und zwei weitere ungenannte Jünger (insgesamt sieben) am Galiläischen Meer (auch bekannt als See Genezareth). Simon Petrus will fischen gehen. Warum auch nicht? Er ist ein Fischer. Und die Zebedäus-Jungs auch. Und so gehen sie in der Abenddämmerung ins Boot und fischen die ganze Nacht und fangen nichts.

Klingt bekannt. Das erinnert an ihre Berufung als Jünger, als sie an diesem gleichen Ort die ganze Nacht nichts gefangen hatten und Jesus sie ihre Netze auswerfen ließ und sie eine Ladung Fische einzogen, und er zu ihnen sagte: „Folgt mir nach; ich will euch zu Menschenfischern machen.

Die Sonne geht auf, der Tag bricht an, Jesus steht am Ufer, aber die Jünger erkennen ihn nicht. Das erinnert an die Emmausjünger. Jesus sagt: „Jungs, habt ihr was gefangen?“ Sie antworten: „Nein.“ Und Jesus lässt sie das Netz auf der rechten Seite des Bootes auswerfen und wieder ist das Netz voll mit Fischen.

Johannes scheint die Dinge etwas schneller zu begreifen als die anderen. Er erkennt Jesus. „Es ist der Herr!“ Derselbe Herr, der dafür gesorgt hatte, dass diese Fische in sein Netz schwammen, als er Menschenfischer wurde. Petrus zieht schnell seinen Mantel an, den er zum Fischen ausgezogen hatte, springt aus dem Boot und schwimmt an das Ufer, kommt aber nicht schneller an als die anderen, die in ein Beiboot umsteigen und das Netz voller Fische an Land bringen. Dort steht Jesus und begrüßt sie. Er hat bereits das Frühstück vorbereitet, einige Fische auf einem Holzkohlefeuer gebraten. Und Brot. Fisch und Brot erinnern an die Speisung der 5000. Das letzte Mal, als wir von einem Holzkohlenfeuer hörten, wärmte Petrus sich die Hände und leugnete, dass er etwas mit Jesus zu tun hatte. Die Geschichte wird immer interessanter.

Sie holen das Netz an Land und zählen 153 große Fische heraus. Viele Ausleger streiten sich darum, was diese 153 wohl zu bedeuten haben. Die Schrift sagt es uns nicht. Auf jeden Fall müssen die Jünger über diese Fülle an Fischen gestaunt haben, am falschen Ort, zur falschen Tageszeit so viele, ganze 153! Und wie beim letzten Mal, als das geschah, reißt das Netz trotzdem nicht. Keiner entkommt, wenn Jesus sie ins Netz führt. 153, was haben die Fischer  für eine Geschichte zu erzählen! Und erzählt haben sie sie bestimmt. Ja, und dann gibt es ein Frühstück, ein Festmahl aus Brot und Fisch, und sie erkennen den Herrn, ohne dass nur ein Wort gesagt wird. Das erinnert daran, wie die Emmausjünger Jesus am Brechen des Brotes erkennen.

Und es ist das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern erscheint, dass der von den Toten Auferstandene sich zeigt. Da steht einfach so im Raum, ohne großen Aufsehens. Er isst mit ihnen, wie das immer war. Ganz unscheinbar. Als wenn das einfach zum Alltag dazugehört. Mit einem zu essen, der vor einigen Tagen tot war. Also dreimal, sieben Jünger, 153 Fische, ein volles Netz, Sonnenaufgang, der auferstandene Jesus, Brot und Fisch. Was geht hier vor sich? Antwort: Die neue Schöpfung. Die neue Realität. Das Kommen des Reiches Gottes. Das Ende aller Dinge. Der Anfang aller Dinge. Ein Vorgeschmack auf das große Fest, das in der Auferstehung kommen wird. Die ganze Geschichte im Director’s Cut ist voll von Erfüllung, alles kommt zusammen in Jesu Auferstehung. Die Auferstehung Jesu ist nicht einfach ein Ereignis in der Geschichte, eine kleine Ausnahme von der Regel, dass Tote nicht auferstehen, ein kleiner Hubbel und dann ein Weiter-So auf der gleichen alten Straße, sondern ein ganz neue Wirklichkeit. Die Auferstehung Jesu ist der Anfang vom Ende und das Ende vom Anfang. Es ist eingebrochen das Ende der alten Schöpfung und der erste Tag der neuen Schöpfung. Jesus ist am Ufer der Auferstehung gelandet. Da, wo unser Friedhof liegt, an der Grenze, an der Schwelle, wo die Gräber unser Lieben auf den Sonnenaufgang der ewigen Sonne warten, den Tag der Vollendung. Jesus steht am Ufer, mit ihm geht auf die ewige Morgensonne, mir nichts, dir nichts, als wenn das einfach so zum Alltag gehört. Und durch sein Wort und durch seine Jünger sorgt er dafür, dass das Schleppnetz des Reiches Gottes eine erlöste Menschheit aus dem Meer des Todes an das Ufer der Auferstehung zieht.

Dort wartet Christus, das Lamm, das geschlachtet wurde, und dennoch lebt, dessen Blut ein Volk aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen für Gott freigekauft hat, das uns mit ihm in seinem Reich regieren lässt und uns einen Platz in seinem Priestertum gibt. Ihr seid dieses Reich, ihr seid diese königliche Priesterschaft, getauft in Jesu Tod und Auferstehung. Eure Sünden sind durch das Blut abgewaschen worden; euer Leben ist vom Tod erlöst worden; ihr seid im Schleppnetz von Jesu Tod und Auferstehung gefangen und in das Boot, in die Arche, in die Kirche gezogen worden, wo ihr sicher sind, bis ihr am Jüngsten Tag sicher das Ufer erreicht.

Bis zu jenem Tag lebt ihr als gerechtfertigte Sünder, mit Christi Gerechtigkeit gekleidet, gereinigt durch sein Blut, unter einem Mantel der Freiheit, der es euch erlaubt, eurer Berufung nachzugehen – sei es als Fischer, Buchhalter, Farmer, Vater, Mutter, Ingenieur, Landesbürger, Arbeiter, was auch immer ihr tut, um an eurem Ort und in eurem Stand anderen Menschen Gottes Güte und Barmherzigkeit zu erweisen. Aber denkt daran und nehmt es euch zu Herzen: Ohne den Herrn werden die Netze eurer Arbeit leer aufgehen. Ohne die verborgene Hand des Herrn unter dem Meer, werden die Fische nicht in euer Netz schwimmen. Ohne den Herrn und sein Wort ist unsere Arbeit leer und vergeblich. Die Fischer konnten ohne Jesus keine Fische fangen. Und sie waren Profis! Petrus konnte ohne Jesus nicht über das Wasser gehen. Ihr könnt Sünde und Tod nicht ohne Jesus besiegen.

Für die Jünger, die draußen auf dem Wasser in ihrem Boot sitzen, scheint Jesus nicht mehr zu sein als eine ferne Gestalt am Ufer. Ein Fremder, der Frühstück macht. Die Jünger erkannten ihn erst bei dem Fang der Fische. Aber ihre Augen konnten ihn nicht wahrnehmen, genauso wenig wie unsere. Obwohl Jesus bei uns ist, bleibt er vor unseren Augen verborgen, die Wolke, die seine Herrlichkeit verbirgt, die wir erst am letzten Tag sehen werden. Aber im Mahl gibt er sich zu erkennen. Seht die Zeichen seiner Gegenwart – seinen Leib und sein Blut – die Kennzeichen des Kreuzes. Er gibt die Zeichen seines vergebenden Wortes und seines heiligen Dienstes. Er gibt uns das Zeichen unserer Taufe, durch die wir in sein Reich gebracht und zu Arbeitern gemacht werden. Wir sehen den Herrn nicht direkt, aber wir sind nicht ohne die Zeichen, die Jesu Gegenwart kennzeichnen. Der Herr ist mit euch.

Nach dem Frühstück mit Brot und Fisch setzt Jesus den untreuen Petrus wieder ein, seine Vergebung und Berufung macht ihn zum Hirten der Schafe und Lämmer der Herde Gottes. Petrus, der Verleugner, der in Schwäche und Angst dreimal den Herrn verleugnet hat, wird mit dreifacher Vergebung wieder eingesetzt und mit einem apostolischen Amt beauftragt. Der Sünder kann ein Diener sein. Du, ein Sünder. Ich, ein Sünder. Gottes Wort heiligt uns, sein Ruf bevollmächtigt uns zu Dienern in seinem Reich. Gott gebraucht uns. Er wirkt durch uns. Er erweist der Welt seine Güte und Barmherzigkeit durch uns. Wunder im Alltag, Wunder der Gnade Gottes. Er rechtfertigt Sünder. Ein Wunder! Und das nächste Wunder ist, dass Sünder nützlich sind. Gott rechtfertigt Sünder in Christus, wirkt durch Sünder. Es gibt Hoffnung für uns!

„Kommt und frühstückt“, sagt Jesus zu den sieben, während die 153 Fische am Ufer im Netz zappeln. Und er wirft noch ein paar auf das Holzkohlenfeuer. Die Holzkohle war damals Zeuge bei der Verleugnung des Petrus, und nun dient sie dazu, das Frühstück des vergebenen Petrus zu braten. Jesu Gnade ist immer gut. Und es ist Frühstück, nicht Abendbrot! Ein Vorgeschmack, ein Anfang, eine erste Mahlzeit des Tages. Es wird noch mehr kommen. Denn zuletzt, zuletzt kommt sozusagen der Director’s Cut auch noch zu deinem und unser aller Leben, die wir in ihm sterben. Der Rest der Geschichte. Der sinnvolle Abschluss, in dem der Herr alle Fäden eures Lebens zusammenführt und in sich erfüllt, wo alles zusammenkommt in ihm. Und dann – dann beginnt der erste Tag der neuen Wirklichkeit mit Jesus, wo die Auferstehung zum Alltag gehört, wo sein Wort unsere Realität ist und wir uns an seinen Wundern nicht sattsehen können. Amen.


Wochenspruch

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. 1. Petrus 1, 3

Introitus – Nr. 32 (1. Petrus 2, 2; Psalm 81, 2)

Epistel

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereit ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit. Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, damit euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus. Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht; ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit

1. Petrus 1, 3 – 9

Evangelium

Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich’s nicht glauben. Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! [Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.]

Johannes 20, 19 – 29 [30 – 31]


  • liturgische Farbe: weiß
  • Festzeit: Österliche Freudenzeit
  • Wochenspruch: 1. Petr 1,3
  • Wochenpsalm: Ps 116
  • Eingangspsalm: Ps 118
  • Epistel: 1. Pet 1,3-9
  • Evangelium: Joh 20,19-29
  • Predigttext: Joh 21,1-14
  • Wochenlied: 102

Erklärung zu den Perikopen:

Die biblischen Predigttexte sind aufgeteilt in die Perikopenreihen I bis VI. Jede Reihe gilt – beginnend mit dem 1. Advent – fortlaufend für ein ganzes Kirchenjahr (aktuelle Reihe = III). Die einzelnen Reihen haben verschiedene Schwerpunkte (Evangelien, Briefe usw.).


  • I(Evangelium): Joh 20,19-29
  • II: 1. Pet 1,3-9
  • III: Joh 21,1-14
  • IV: Kol 2,12-15
  • V: Mk 16,9-14 (15-20)
  • VI: Jes 40,26-31