Miserikordias Domini (Der gute Hirte) – 2022

Miserikordias Domini (Der gute Hirte)

Wie die Stimmung wohl war zwischen Jesus und den Jüngern bei dem Fischbraai da am Wasser? Aus dem „Bring and Braai“ war nichts geworden, die Jünger hatten nichts mitzubringen, erst als der auferstandene Jesus ihnen andeutete, wann und wo sie fischen sollten, fangen die Jünger Fische. Und nun gibt’s „Bring and Braai“, Jesus hat schon für das Feuer gesorgt, einige Fische brutzeln schon lustig über dem Feuer, einige Brote dazu, und nun bringen die Jünger etwas – die Fische, die Jesus ihnen zu fangen gegeben hatte. Und es beginnt die Mahlzeit, Jesus spricht das Dank- und Segensgebet, wie sonst auch, nimmt das Brot, bricht es, gibt es ihnen, teilt die Fische aus, und sie essen Frühstück. Die Symbolik ist deutlich: Jesus ist Gastgeber, er beschafft das Essen, sie erkennen ihn an seinem Wunder und an seinem Gebet und an seiner Austeilung von Brot und Fisch, er sorgt für die Profi-Angler indem er ihnen Fische besorgt. Er, der Herr, sie, die Nachfolger, er, der Geber, sie, die Beschenkten, er, der Sattmacher, sie, die Hungrigen, er, der Gastgeber, sie die Gäste, er, der gute Hirte, sie, die er auf grüne Weide und zum frischen Wasser führt. Jesus kommt nun zum dritten Mal zu ihnen. Das 1. Mal, um ihnen seinen Frieden zu geben und das Amt der Schlüssel anzuvertrauen, das Amt, das Sünden in seinem Namen vergibt oder behält. Das 2. Mal, um Thomas und ihnen zu beweisen, dass er es wirklich ist, er mit seinen Wunden und Nägelmalen, damit sie glauben, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit sie durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen.

Und nun das 3. Mal. Wie die Stimmung wohl war, dort beim Frühstück? War es entspanntes Miteinander mit Lachen und Freude? Oder eher eine gespannte Lage mit betretenem Schweigen? Da am Ufer und im Freien stand schließlich auch ein großer, unsichtbarer Elefant: Dass sie an Jesus Ärgernis genommen hatten; dass sie von ihm abgefallen waren; dass sie ihn verlassen hatten und geflohen waren; dass sie an ihm und seinem Wort gezweifelt hatten; und allen voran Petrus‘ dreifache Verleugnung, die nun so krass ins Auge stach nach seiner lauten Prahlerei am Gründonnerstagabend. Petrus hatte erklärt, dass er für immer von Gott verflucht sein wolle, wenn er diesen Jesus jemals gekannt haben sollte. Was für ein Schlag ins Gesicht! Und nun stehen sie sich beim Frühstück am Ufer gegenüber, und die anderen Jünger auch. Was kommt nun, eine krachende Bußpredigt? Wird Petrus hochkantig rausgeschmissen als Lehre für alle andern? Was spielt sich in Petrus‘ Kopf ab? Wartet er, bis der letzte Fisch gegessen ist, um sich zu entschuldigen oder herauszureden? Das Verhältnis ist belastet, vielleicht zu Ende.

Jesus wartet nicht, bis Petrus was sagt. Er macht Petrus auch nicht vor den andern fertig. Er stellt eine Frage: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ Simon… so hatte der Heiland Petrus beim ersten Mal angesprochen: Simon, Sohn des Johannes… folge mir nach! Und nun: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ Wisst Ihr, was das ist? Ein Friedenszeichen. Das ist die Gelegenheit zum Neuanfang. Petrus bekommt die Gelegenheit, sich wieder vor den anderen zu Jesus zu bekennen, sogar dreimal. Und jeder Jünger wusste sofort, was das bedeutet. So geht Jesus auch mit uns um. Es mag sein, dass es auch zwischen uns und dem Herrn dicke Luft gibt. Dass wir ihm nicht unter die Augen trauen. Aber ihr Lieben, jetzt ist Gnadenzeit. Er kehrt euch nicht den Rücken zu, zeigt euch nicht die eiskalte Schulter, wendet sich nicht von euch ab. Er gibt euch ein Friedenszeichen, bietet euch Gelegenheit zum Neuanfang, führt euch wieder zur Taufe, zum Anfang zurück, schenkt euch, was ihr dazu braucht, die nötige Buße, Reue, die so dringend nötige Vergebung.

Dieser Jesus gibt dich nicht auf. Er baut Brücken zu dir. Und er stellt dir dieselbe Frage, dein ganzes Leben lang: „Hast du mich lieb?“ Wenn wir darauf wie Petrus antworten können: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe“, dann haben wir auf die Frage, wie wichtig uns die Begegnung mit ihm im Gottesdienst ist, auch schon gleich eine Antwort gegeben. Ja, um Liebe geht es in unserem christlichen Glauben immer wieder und zuerst: um die Liebe, mit der Jesus selber uns unser Versagen vergibt, um die Liebe, mit der er uns umfängt, und um die Liebe zu ihm, die er eben damit in uns schafft, um die Liebe, die sich dann auch in unserem Alltag auswirkt. „Liebe – und dann tu was du willst“, so hat es einmal der heilige Augustinus formuliert. So ist es: Wenn wir Jesus lieb haben, dann wird das unser Leben, unser Handeln prägen. Habe sie darum stets im Ohr, die Frage deines Herrn: Hast du mich lieb? Er fragt dich, um dich in seiner Nähe zu halten, ein Leben lang.

Manchmal ist es nicht unsere Schuld, unser Versagen, das uns in die Gefahr bringt, die Verbindung zu Christus zu verlieren. Manch einem fällt es schwer, an Christus dranzubleiben, weil der Pastor ihm dabei im Wege steht, weil der ihm einen Anstoß bereitet. Ihr Lieben, was hier am Ufer, am Wasser passiert, ist eigentlich erstaunlich. Christus, der gute Hirte, vertraut seine Schafe, die, die zu ihm gehören, einem anderen an, und ausgerechnet dem Petrus, diesem Versager, der gerade zuvor gezeigt hat, was man von ihm erwarten kann, ausgerechnet diesem Versager, der nichts Anderes kann als zu stammeln, dass er Jesus trotz all seines Versagens lieb hat. Der soll nun der Hirte der Herde sein, der soll nun die Schafe Jesu weiden. Das ist kein Business Management, so macht man das nicht, man nimmt geeignete Kandidaten, keine Versager, dies kann doch gar nicht gut gehen! Doch mit diesem Petrus hat Jesus nachher tatsächlich seine Kirche gebaut, Petrus hat tatsächlich die Schafe geweidet, Jesus hat ihm nicht den Hirtendienst wieder aberkannt, sondern ihn tatsächlich tun lassen, was doch eigentlich die Aufgabe des guten Hirten selber ist.

Was Jesus damals mit dem Petrus gemacht hat, tut er heute immer noch: das Wort „Pastor“ bedeutet ja buchstäblich „Hirte“. Der Herr Jesus ruft Männer in den Hirtendienst, die dafür doch eigentlich gar nicht geeignet erscheinen, Männer mit Fehlern. Doch Gottes Wort lässt uns tiefer und weiter blicken: Dass die Hirten, die die Gemeinde weiden, Versager sind, Sünder sind, ist ja klar. Und doch ist in ihrem Dienst, so unvollkommen er auch ausgeführt werden mag, Christus selber gegenwärtig. Sie weiden die Herde Christi eben nicht bloß als Privatpersonen, sondern in der Vollmacht des Herrn. An der menschlichen Art eines Pastors mag einen manches stören; doch da, wo er im Auftrag Christi an Gemeindegliedern handelt, ist es Christus selber, der euch sucht und findet und weidet und rettet und in seiner Liebe und Gemeinschaft festhält.

Das bedeutet aber eben auch, dass ein Pastor, der seinen Dienst im Auftrag Christi ausübt, nie auf die Idee kommen soll zu meinen, es seien seine Schafe, die er da weidet. Es sind und bleiben die Schafe Christi, es bleibt seine Herde, der er mit seinem Hirtenamt dient. Niemals soll und darf er darum die Schafe an seine Person binden, alles soll er tun, damit die, die ihm anvertraut sind, nicht ihn mit dem guten Hirten Jesus Christus verwechseln können. Ihr gehört alle zur Herde Jesu Christi, ganz gleich, wer euch auch als Hirte dienen mag. Aber eben darum lasst euch auch durch keinen Pastor von Christus abbringen. Es ist und bleibt nun einmal die Art unseres Herrn, mit Versagern seine Kirche zu bauen.

Ja, und die Kirche braucht noch mehr Pastoren. Damals, als ich die Berufung nach Amerika annahm, hatte die LCMS über 800 Vakanzen. Ich glaube kaum, dass das Bild sich seitdem geändert hat. In unserer Schwesterkirche in Deutschland gehen zurzeit mehr als 20% der Pastoren in den Ruhestand, junge Pastoren sind aus dem Dienst getreten, es sind zu wenig da. Wir in der FELSISA haben einen im 2. Examen und gerade mal 2 Theologiestudenten. Die Herde braucht Hirten, die Kirche braucht Pastoren. Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende!

Aber was verspricht der Heiland dann dem Petrus? Keinen golden Handshake, keine Pensionskasse; nein, Jesus verspricht Petrus, dass seine Hände eines Tages gebunden werden an einen Kreuzesbalken und er in der Nachfolge sterben muss. Die Kirchengeschichte berichtet, dass Petrus nach etwa 30 Jahren im Dienst als Pastor gekreuzigt wurde, und zwar mit dem Kopf nach unten. Das macht Jesus ihm jetzt schon deutlich. Wenn Jesus Petrus in seine Nachfolge ruft, ihn zum Unterhirten macht, dann verspricht er ihm also gerade nicht, dass das Leben in seiner Nachfolge problemlos und einfach sein wird. Sondern er kündigt ihm ganz nüchtern an, dass das Leben in seiner Nachfolge Leiden, Kreuz und Tod bedeutet.

Das trifft aber nicht nur auf die Pastoren zu, sondern auf alle, die er aufruft und zu denen der gute Hirte sagt: Folge mir nach! Das Leben in der Nachfolge Jesu kann sehr direkt ins Leiden, in die Verfolgung, ja in den Tod führen. Man kann nicht immer an unserem Leben ablesen, dass es sich lohnt, an Christus zu glauben. Menschlich gesprochen ist oft genau das Gegenteil der Fall. Wenn euer Leben ganz anders verläuft, als ihr es geplant hattet, wenn ihr leidet, enttäuscht werdet, schwere Zeiten durchmacht, dann bedeutet das nicht, dass Christus euch verlassen hat oder dass es sich doch nicht lohnt, in seiner Nachfolge zu leben. Euer Heiland verspricht auch euch kein einfaches und sorgenfreies Leben; aber er verspricht euch ein Leben, das viel weiter und viel tiefer reicht als ein Leben ohne ihn; ein Leben, in dem ihr in allem Leide doch von ihm getragen werdet. Ja, er verspricht euch ein Leben, das einmal einmündet in das ewige Leben, auch wenn die Wege dorthin für euch manchmal keinen Sinn ergeben. Dennoch habt ihr den einen, der stärker ist als alles, was euch bedrängt, den einen, der stärker ist als der Tod, euren guten Hirten. Wenn er euch fragt: Hast du mich lieb? Dann gebe Gott, dass ihr antwortet: Ja, Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich liebhabe! Amen.


Miserikordias Domini (Der gute Hirte)

Wochenspruch
Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben. Johannes 10, 11a. 27 – 28a

Introitus – Nr. 33 (Psalm 33, 5b. 6a. 1)

Epistel
Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet; der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.

1. Petrus 2, 21b – 25

Hauptlied
Der Herr ist mein getreuer Hirt 327

Evangelium
Jesus sprach: Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Der Mietling aber, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie -, denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich mein Vater kennt, und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe. Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Mein Vater, der mir sie gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus des Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind eins.

Johannes 10, 11 – 16 u 27 – 30


liturgische Farbe: weiß

Festzeit: Österliche Freudenzeit

Wochenspruch: Joh 10,11a.27-28a

Wochenpsalm: Ps 23

Eingangspsalm: Ps 118

Epistel: 1. Pet 2,21b-25

Evangelium: Joh 10,11-16 (27-30)

Predigttext: Hes 34,1-2 (3-9) 10-16.31

Wochenlied: 274


Erklärung zu den Perikopen:

Die biblischen Predigttexte sind aufgeteilt in die Perikopenreihen I bis VI. Jede Reihe gilt – beginnend mit dem 1. Advent – fortlaufend für ein ganzes Kirchenjahr (aktuelle Reihe = III). Die einzelnen Reihen haben verschiedene Schwerpunkte (Evangelien, Briefe usw.).


I(Evangelium): Joh 10,11-16 (27-30)

II: 1. Pet 2,21b-25

III: Hes 34,1-2 (3-9) 10-16.31

IV: 1. Petr 5,1-4

V: Joh 21,15-19

VI: Hebr 13,20-21