Mit diesem Sonntag fängt für uns das neue Kirchenjahr an! Das merken wir zum Beispiel daran, dass wir von heute an wieder im Gesangbuch ganz von vorne mit den Introiten und Lesungen für die Sonntage angefangen haben! Die Epistel für den 1. Advent, die uns auch als Predigttext dient, ist aber nicht ein „natürlicher“ Adventstext! Sie kommt nämlich aus einer längeren Reihe von Ermahnungen des Apostels an seine Leser in Rom! Dadurch will er sie und uns zum christlichen Lebenswandel ermutigen!
Deshalb könnte man beim ersten Hören ganz leicht meinen, dass es sich hier eher um einen Text für den Bußtag und für eine gehörige Bußpredigt handelt, als um eine Botschaft für den ersten Advent. Es kommt einem also eigenartig vor, dass gerade dieser Text als Epistel für diesen Tag vorgeschrieben ist. Da ist die ja Rede vom Gesetz mit seinen Forderungen! Es geht hier auch besonders um unsere Liebe zum Nächsten, durch die wir das Gesetz erfüllen sollen! Da steht gar nichts von dem Kommen des Christkindes im Stall von Bethlehem!
Die Adventszeit sollte uns doch eigentlich vorbereiten auf Weihnachten, und deshalb erwartet man heute eher Texte wie: „Freue dich sehr, du Tochter Zion, und jauchze, du Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir,“ wie wir es vorhin in dem Introitus gesungen haben. Wir regeln sogar schon Krippenspiele, um unseren Kindern die Botschaft vom Kind in der Krippe im Stall von Bethlehem, sichtbar vorzustellen. Und damit ist auch nichts verkehrt, weil das Wort „Advent,“ ja so viel wie „Ankunft“ oder auch „das Kommen,“ bedeutet. Und aus der Bibel wissen wir ja auch, dass hiermit wirklich das Kommen und die Ankunft des Erlösers gemeint ist. Was sucht dann aber solch ein Text, wie dieser denn eigentlich dazwischen?
Aber, liebe Gemeinde, wir sollen ja nicht bei dem Kind in der Krippe stehen bleiben, weil das ja schon längst gewesen ist! Es ist auch wirklich so, dass Jesus vor mehr als 2000 Jahren schon in Bethlehem geboren wurde und, dass er sein Leben etwa 33 Jahre lang, als wahrer Mensch hier auf Erden geführt hat. Deshalb sprechen oder singen wir ja an jedem Sonntag im Glaubensbekenntnis die Worte, die dieses als Vergangenheit bestätigen, nämlich: „Ich glaube an Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, niedergefahren zur Hölle, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur rechten Hand Gottes.“ Jesus, der Erlöser ist gekommen und hat das Erlösungswerk schon vollbracht! Das glauben und wissen wir ganz sicher!
Die Frage an uns ist deshalb, ob wir aus dem Advents- und Weihnachtsfest jetzt immer nur eine historische Gedenkfeier mit viel Sentiment, Schmuck, Musik, Geschenken usw. machen?
Oder sehen wir in dieser Zeit auch nach vorne, und lassen das Leben und Wirken Jesu auch für uns in der Gegenwart gelten! Dann sprechen wir ja erst, so zu sagen, den zweiten Artikel des Glaubensbekenntnisses zu Ende? Dort heißt es nämlich auf die Zukunft gerichtet: „Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.“ Das meint ja, dass er auch noch wieder kommen wird! Wir leben deshalb in der Zeit zwischen der Himmelfahrt, die den Abschluss seines ersten Kommens bildet, einerseits, und dem Jüngsten Tag, mit seinem zweiten Kommen in Herrlichkeit, andererseits.
Setzen wir also das Kommen Jesu und sein Erlösungswerk jeden Tag immer noch an jedem Tag in unserem Leben ein? Oder hat es keine Wirkung auf uns? Können die Menschen um uns herum im Alltag es aus unserem Lebensstil erkennen, dass wir auf den kommenden Erlöser warten? Oder Leben wir genau wie sie alle im Dunkeln, weil wir genau die Dinge tun, die der Apostel hier aufzählt als „Werke der Finsternis?“
Ihr Lieben, daran will dieser Text uns heute erinnern! Wir sollen wissen, dass Christus erstens gekommen ist und uns von dem Fluch des Gesetzes erlöst hat, und, zweitens; dass er in dieser Wartezeit auch immer wieder zu uns kommt in seinem Wort und Sakrament, um uns die Kraft zu geben, dass wir auch als seine Kinder leben können!
„Seid niemand etwas schuldig, außer, dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt.“ Mit diesen Worten wird unser Text eingeleitet! Und gleich im nächsten Vers stehen dann die Gebote, die sich besonders auf unsere Liebe zum Nächsten beziehen. Dann wird dieser Teil abgeschlossen mit der zweiten Hälfte des „Vornehmsten Gebots,“ das wir öfter mal im Beichtgebet hören, nämlich: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Wir wissen es aber auch genau, dass wir diese Forderung niemals erfüllen können! Wegen unserer angeborenen Selbstsucht bleiben wir dem Nächsten, ja sogar dem Allernächsten, wie dem Ehepartner, den Eltern und den Kindern, die bedingungslose Liebe immer wieder schuldig!
Wir schaffen es nicht, die Gebote Gottes, das Gesetz, zu halten, und wenn wir uns noch soviel Mühe geben! Deswegen stehen wir seit Adam alle unter dem Fluch des Gesetzes! Ja, wir gehen eigentlich allesamt der Hölle und der ewigen Verdammnis entgegen! Deshalb ist es so trostreich, wenn wir an diesem Ersten Sonntag im Advent wieder daran erinnert werden, dass Jesus Christus genau deswegen auf die Erde gekommen ist!
Im Brief an die Galater 3, 13 lesen wir: „Christus hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns.“ Von sich selbst und seinem Kommen in diese Welt sagt Jesus bei Matth. 5, 17: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen!“ Durch sein unschuldiges Leiden und Sterben am Kreuz hat Jesus für uns die Schuld bei Gott bezahlt! Deshalb sind wir nun durch den Glauben an ihn, frei von diesem Fluch des Gesetzes!
Ihr Lieben, wem es geschenkt wird, dieses zu erkennen, der wird sich zurückbesinnen auf seine Taufe! Da wurde Christus uns förmlich angezogen und der Heilige Geist wurde uns geschenkt! Das sagt uns der Brief an die Galater 3, 26 & 27: „Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.“ Und im Römerbrief, im 8. Kapittel lesen wir: „So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch leben. Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“
Am vorigen Sonntag haben wir schon über den Sinn und den Grund für unseren Kirchgang nachgedacht. Heute wird uns noch einmal die Antwort und die Begründung aus Gottes Wort gegeben, nämlich; dass Christus, zweitens in dieser Wartezeit, in der wir leben immer wieder zu uns kommen will in seinem Wort und in den Sakramenten!
Dazu hat er uns die Kirche, und auch diese Gemeinde hier in Warburg gegeben, damit er uns hier persönlich begegnen kann! Hier will er uns stärken und mit den „Waffen des Lichts“ ausrüsten! Und hier will er uns in dem Gebrauch und in der Anwendung von diesen Waffen auch trainieren! Deshalb hat Gott durch die Apostel, Propheten und Evangelisten sein Wort, in der Bibel für uns aufschreiben lassen! Dadurch will er uns, wenn wir es hören oder selbst daraus lesen, seine Gnade mitteilen! Die Kirche hat ja die Gnadenmittel, das Wort und die Sakramente für die Menschheit bereit! Hier können wir davon Gebrauch machen, und das Öl für unsere Glaubenslampen umsonst bekommen! Aber es ist immer noch die Pflicht eines jeden Menschen, um dieses Gnadengeschenk Gottes auch anzunehmen und es treu zu gebrauchen! Diese Gelegenheit haben wir noch, durch Gottes Gnade an jedem Sonntag! Lasst uns deshalb dieses Geschenk dann auch freudig annehmen und gebrauchen!
So predigen und feiern wir in der Kirche praktisch an jedem Sonntag, und alle Tage, Advent! Wir tun das in dem Wissen, dass unser Herr gekommen ist, und uns erlöst hat von den Forderungen des Gesetzes, weil er sie für uns erfüllt hat! Aber wir wissen auch, dass er an jedem Tag zu uns kommen will! „Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende,“ hat er den Jüngern bei seiner Himmelfahrt versprochen! Deshalb ist es nötig, dass auch wir immer wieder daran denken, dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf der Sünde! Denn, wer schläft, während das Heil zu haben ist, verpasst leicht die Gelegenheit, um in den Himmel zu kommen! Das haben wir auch schon am vorigen Sonntag von den fünf törichten Jungfrauen gelernt!
Ihr Lieben, die Zeit am Ende des Kirchenjahres und die Adventszeit, am Anfang des neuen Kirchenjahres haben deshalb eigentlich genau das gleiche Thema. Es geht um Jesus Christus, einmal als den kommenden Richter, und dann als den kommenden Erlöser! Das ist die Botschaft, die wir in die Welt hinaustragen müssen: „Unser Herr ist in die Welt gekommen, die Menschheit zu erlösen! Er kommt auch täglich zu denen, die an ihn glauben, um sie zu stärken! Und er wird wiederkommen, die Gläubigen zu retten und die Ungläubigen zu richten!“
Möge Gott es geben, dass wir an dem Tag mit zu den Erlösten gehören werden! Amen.
Wir beten: Herr Jesus Christus, du Erlöser der Menschheit, wir bitten dich, mache unsere Herzen bereit, dass wir dich an jedem Tag in deinem Wort, und auch oft in deinem heiligen Sakrament, bei uns empfangen und dir begegnen. Segne uns in dieser kommenden Advents- und Weihnachtszeit, damit wir dir freudig dienen und als deine Kinder hier auf Erden leben können.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen Leben. Amen.
liturgische Farbe: violett
Festzeit: Adventszeit
Wochenspruch: Sach 9,9
Wochenpsalm: Ps 24
Eingangspsalm: Ps 24
Epistel: Röm 13,8-12 (13-14)
Evangelium: Mt 21,1-9
Predigttext: Offb 5,1-5 (6-14)
Wochenlied: 4 und 16
Erklärung zu den Perikopen:
Die biblischen Predigttexte sind aufgeteilt in die Perikopenreihen I bis VI. Jede Reihe gilt – beginnend mit dem 1. Advent – fortlaufend für ein ganzes Kirchenjahr (aktuelle Reihe = IV). Die einzelnen Reihen haben verschiedene Schwerpunkte (Evangelien, Briefe usw.).
I(Evangelium): Mt 21,1-9
II: Röm 13,8-12 (13-14)
III: Jer 23,5-8
IV: Offb 5,1-5 (6-14)
V: LK 1,67-79
VI: Hebr 10,(19-22) 23-25